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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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3.3 Die vorwegnehmende und herbeiführende Stadt: Dessau 36<br />

Marcus Stippak<br />

Im Unterschied zu Darmstadt kannte man in Dessau die <strong>Grenzerfahrung</strong> des Wassermangels<br />

bis in die frühen 1870er Jahre hinein nicht. Den ungefähr 18.000 Einwohnern<br />

der an den Flüssen Mulde und Elbe gelegenen Haupt- und Residenzstadt<br />

des Herzogtums Anhalt standen knapp 700 Pumpenbrunnen zur Verfügung, um<br />

ihren Bedarf an Trink- und Brauchwasser zu befriedigen. Das Schloss des Monarchen<br />

wiederum wurde über eine Wasserkunst versorgt, welches Flusswasser aus<br />

der Mulde herbeiführte. Dieses Arrangement genügte offensichtlich den hiesigen<br />

Ansprüchen: Zwar war die Stadt 1869 mit einem Berliner Unternehmen in Verhandlungen<br />

über den Bau eines Wasserwerkes getreten. Doch diese führten zu<br />

keinem Resultat, weil der Betrieb infolge finanzieller Schwierigkeiten <strong>als</strong> potentieller<br />

Vertragspartner ausfiel. Bezeichnenderweise wurde dieses Thema bis 1874 nicht<br />

weiter diskutiert und folglich blieb bei der Wasserversorgung alles beim Alten.<br />

Wie in Berlin richteten sich die Anstrengungen zuvorderst darauf, die Entwässerungseinrichtungen<br />

dem demographischen und städtebaulichen Wachstum Dessaus<br />

anzupassen. Vor dem Hintergrund einer zwischen 1818 und 1871 um etwas<br />

mehr <strong>als</strong> neunzig Prozent gestiegenen Einwohnerzahl, einer Mitte der 1850er Jahre<br />

beginnenden – und wie im Falle Darmstadts gemäßigten – Industrialisierung und<br />

städtebaulichen Erweiterung verständigten sich Stadt- und Staatsverwaltung im<br />

April 1872 auf den so genannten „Auseinandersetzungsvertrag“. In diesem legten<br />

die beiden Vertragsparteien eine klare Aufgabentrennung bzw. Aufgabenzuweisung<br />

fest. Darüber hinaus erklärte sich Dessaus Stadtverwaltung dazu bereit, innerhalb<br />

von drei Jahren die Altstadt und den jüngst im Westen entstandenen Stadtteil<br />

systematisch zu kanalisieren. Über die Gründe, die die Stadtverwaltung zu dem<br />

genannten Engagement veranlassten, herrscht Unklarheit. Jedoch ist zu vermuten,<br />

dass Staats- und Stadtverwaltung das Interesse teilten, Dessau <strong>als</strong> Haupt- und Residenzstadt<br />

der seit 1863 vereinigten anhaltischen Territorien städtebaulich und<br />

infrastrukturtechnisch aufzuwerten. 37 Ebenfalls könnten die zeitgenössische<br />

Miasmentheorie und wiederholt in Dessau registrierte Choleraerkrankungen die<br />

Verantwortlichen dazu bewogen haben, der Entwässerung den Vorzug zu geben.<br />

Gemäß einer im „Journal für Gasbeleuchtung und verwandte Beleuchtungsarten“,<br />

dem Vorläufer des „Gas- und Wasserfachs“, 1870 veröffentlichten Notiz hielt man<br />

eine Neuordnung der Wasserversorgung schlicht für unnötig.<br />

Zum Jahreswechsel 1873/74 änderte sich diese Prioritätensetzung grundlegend.<br />

Im Dezember 1873 diskutierten die Gemeinderatsmitglieder über das Für<br />

und Wider einer Kursänderung: Der Bau einer Kanalisation solle zurückgestellt<br />

36 Im Folgenden, wenn nicht anders angegeben: Stippak: Wasserversorgung, Kap. 4 (Anm. 2); Derselbe:<br />

Eisen und Blei – Zur Frühgeschichte von Dessaus zentraler Wasserversorgung (1869-1887), in: Dessauer<br />

Kalender, 2008, S. 46-57. Beide Publikationen enthalten weiterführende Quellen- und Literaturhinweise.<br />

37 Siehe auch: Todte, H.: Dessau 1841-1941. Eine Metamorphose des Charakters und Erscheinungsbilds, in:<br />

Sundermann, M. (Hg.): Junkers.Dessau: Mechanische Stadt? Dessau 2002, S. 13-49, hier S. 30.

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