Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Martin Knoll<br />
lische Kulturlandschaft einer panegyrisch idealisierenden Darstellungsabsicht zuarbeitete.<br />
Unterschiedliche Nuancierungen in der Darstellung gesellschaftlicher <strong>Natur</strong>nutzung<br />
dienten dabei der Reproduktion gesellschaftlicher Stratifikation. Auf<br />
der ländlichen Ebene wurde das Schloss <strong>als</strong> Struktur herrschaftlicher Durchdringung<br />
von Land und Landschaft analysiert. Auch hier sind unterschiedliche Optionen<br />
möglich. Während in der einen Beschreibung das Schloss neben herrschaftlicher<br />
Überhebung und Kontrolle gleichzeitig Integration in Gesellschaft und <strong>Natur</strong><br />
einer Region repräsentiert, bildet es in der anderen einen seltsam von seiner<br />
Umwelt isolierten Mikrokosmos.<br />
Derartige Befunde aus der Beschäftigung mit historisch-topografischer Literatur<br />
der Frühen Neuzeit rühren an verschiedene kulturwissenschaftliche und umwelthistorische<br />
Debatten. Gerade das hier verhandelte Anliegen einer wahrnehmungsgeschichtlichen<br />
Analyse von Abgrenzung und Integration im Verhältnis<br />
zwischen menschlichen Siedlungen und naturaler Umwelt schließt etwa an die<br />
Forschungen zur historischen Stadtikonografie und ihre mitunter durchaus widersprüchlichen<br />
Ergebnisse an. So diagnostiziert Sergiusz Mich<strong>als</strong>ki in der Stadtabbildung<br />
des 16. und 17. Jahrhunderts eine Tendenz, die Bedeutung des Umfeldes<br />
extra muros zu minimieren und ein optisch freies Feld vor den Mauergürteln zu<br />
inszenieren. „Die symbolträchtige Potenz der Stadt <strong>als</strong> einer Art aufragenden ‚steinernen<br />
Wunders‘“ sollte nicht beeinträchtigt werden. 41 Dem gegenüber steht etwa<br />
der von Angelika Marsch edierte Zyklus von Stadtansichten, die Mitte des<br />
16. Jahrhunderts im Rahmen einer Krakaureise des Pfalzgrafen Ottheinrich<br />
(1505-1559) entstanden waren. Die ungemeine Sensibilität für die außerstädtische<br />
Landschaft, wie sie in diesen Grafiken auftritt, veranlasst Marsch dazu, dem unbekannten<br />
Künstler 42 eine neue Sehweise auf Landschaft zu bescheinigen und ihn ins<br />
Umfeld Albrecht Dürers (1471-1528) zu rücken. 43 Landschaft und Landschaftswahrnehmung<br />
beschreiben ein in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in der<br />
Kunstgeschichte intensiv diskutiertes Sujet. Man denke etwa an das konstruktivistische<br />
Landschaftskonzept des Kulturgeografen Denis Cosgrove. 44 Doch schon bei<br />
Dürer beginnen die Probleme. Wolfgang Behringer kontrastiert Albrecht Dürers<br />
41 Mich<strong>als</strong>ki, S.: Vom himmlischen Jerusalem bis zu den Veduten des 18. Jahrhunderts. Symbolik und Darstellungsparadigmen<br />
der Stadtprofilansichten, in: Behringer, W. / Roeck, B. (Hg.): Das Bild der Stadt in der<br />
Neuzeit. 1400 – 1800, München 1999, S. 46–55, hier: S. 49.<br />
42 Vermutlich Mathi(a)s Gerung (um 1500-1570).<br />
43 Marsch, A.: Die Ansichtenfolge im Überblick, in: ders. (Hg.): Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus<br />
den Jahren 1536/37 von seinem Ritt von Neuburg a.d. Donau über Prag nach Krakau und zurück<br />
über Breslau, Berlin, Wittenberg und Leipzig nach Neuburg. Kommentarband, Weissenhorn 2001, S.<br />
23–42, hier: S. 32.<br />
44 „Landscapes are thus cultural images, whether we are speaking of actual topography or of its representation<br />
in words, pictures or even music. Landscape is a powerful medium through which feelings,<br />
ideas and values are expressed. Moreover the representation of landscape can help shape feelings,<br />
ideas and values, most particularly those which refer to the relations between land and life.“<br />
Cosgrove, D.: The Palladian landscape. Geographical change and its cultural representations in sixteenth-century<br />
Italy, Leicester 1993, S. 8.