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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Christian Lotz<br />

Räumliche Dimension: Seit den 1950er Jahren werden räumliche Aspekte der<br />

Geschichte von Wald und Holz von wirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten erörtert,<br />

etwa die Erschließung von Räumen durch die Flößerei, später durch die Eisenbahn<br />

oder die räumliche Veränderung von Waldbeständen. 16 Zwar hat das thematische<br />

Spektrum durch die Debatten um einen ‚spatial turn‘ neue Impulse erhalten. 17<br />

Räumliche Aspekte von Nachhaltigkeit sind allerdings bislang nur in wenigen Studien<br />

berührt worden. Die maßgeblichen Akzente setzen in diesem Zusammenhang<br />

die bereits erwähnten Arbeiten von Richard Grove und von Bernd-Stefan Grewe.<br />

Grewe formuliert – nach Untersuchung der Waldentwicklung in der bayerischen<br />

Pfalz während der Neuzeit – die These, dass eine ökonomische Nachhaltigkeit<br />

des Waldes in der Pfalz im 19. Jahrhundert nur dadurch erreicht wurde, dass<br />

Wälder anderer Länder rasch abgeholzt und dieses Holz nach Deutschland importiert<br />

wurde. Nachhaltigkeit in der Pfalz sei demnach – so Grewe – auf Kosten der<br />

Nachhaltigkeit in anderen Ländern erzielt worden. 18 Die in einigen Studien vertretene<br />

These, dass der Waldbestand in Deutschland wegen der Verwendung von<br />

Kohle, die Holz <strong>als</strong> Brennmaterial zunehmend ersetzte, erhalten werden konnte, 19<br />

greift daher zu kurz: Zwar ist es korrekt, dass seit Mitte des 19. Jahrhunderts weniger<br />

Holz verfeuert wurde, zugleich aber stieg die Holznachfrage durch Urbanisierung<br />

und Industrialisierung um ein Vielfaches an – ein Bedarf, der durch Importe<br />

gedeckt wurde. 20<br />

16 Kunz, A. / Armstrong, J. (Hg.): Coastal Shipping and the European Economy 1750-1980, Mainz 2002;<br />

lebhaft diskutiert die Forschung seit den 1950er Jahren den Anteil der jeweiligen Länder und Häfen<br />

am Holzhandel, vgl. dazu die Debatte zwischen Kent und Åström: Kent, H. S. K.: The Anglo-<br />

Norwegian Timber Trade in the Eighteenth Century, in: The Economic History Review, New Series, 8,<br />

1955, 1, S. 62-74; Åström, S.-E.: English Timber Imports from Northern Europe in the Eighteenth Century; in:<br />

The Scandinavian Economic History Review 18, 1970, S. 12-32; Lillehammer, A.: The Scottish-<br />

Norwegian Timber Trade in the Stavanger Area in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: Smout, T. C.<br />

(Hg.): Scotland and Europe 1200-1850, Edinburgh 1986, S. 97-111; Keweloh, H.-W. (Hg.): Flößerei in<br />

Deutschland, Stuttgart 1985; Borger-Keweloh, N. / Keweloh, H.-W.: Flößerei im Weserraum. Leben und<br />

Arbeiten in einem alten Gewerbe, Bremen 1991.<br />

17 Vgl. die kritische Einschätzung neuerer Arbeiten, die eine Berücksichtigung räumlicher Perspektiven<br />

beanspruchen bei Brüggemeier, F.-J.: Umweltgeschichte – Erfahrungen, Ergebnisse, Erwartungen, in:<br />

Archiv für Sozialgeschichte 43, 2003, S. 1-8; zur Debatte um den ‚spatial turn‘ im Spektrum der<br />

Fachdisziplinen vgl. Döring, J. / Thielmann, T. (Hg.): Spatial turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und<br />

Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008.<br />

18 Grewe, B.-S.: Das Ende der Nachhaltigkeit? Wald und Industrialisierung im 19. Jahrhundert, in: Archiv für<br />

Sozialgeschichte 43, 2003, S. 61-79; Grewe, B.-S.: Der versperrte Wald. Ressourcenmangel in der bayerischen<br />

Pfalz (1814–1870), Köln / Weimar / Wien 2004; Selter, B.: Wald- und forstgeschichtliche Untersuchungen<br />

zur Entwicklung des Leitbildes der forstlichen Nachhaltigkeit, in: Westfälische Forschungen 57, 2007,<br />

S. 71-101, hier S. 95, greift Grewes These auf und betont, dass der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit<br />

in deutschen Wäldern und der Abholzung anderer Regionen „eine eigenständige Untersuchung<br />

wert“ wäre.<br />

19 Küster, H.: Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München 1998, S. 193-194; solche<br />

Thesen strahlen auch in die Tagespresse aus, jüngst etwa bei Müller, B.: Unser kaltes Herz. Es gab schon<br />

einmal eine tiefe Rohstoffkrise – um das Holz, in: Süddeutsche Zeitung, 24./25. Mai 2008.<br />

20 Endres: Handbuch, S. 574-578.

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