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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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6 Lars Kreye, Carsten Stühring, Tanja Zwingelberg<br />

jenseits des Ansichtstourismus mit Abenteuer und Gefahr verbundene <strong>Grenzerfahrung</strong>en<br />

mit der <strong>Natur</strong> entwickelten. 17<br />

Doch was geschah, wenn Menschen sich individuell oder kollektiv zu weit aus<br />

den kultivierten Lebensräumen 18 herauswagten oder die <strong>Natur</strong> in Form von Katastrophen<br />

schleichend oder plötzlich die geordneten menschlichen Lebenszusammenhänge<br />

veränderte? Diesen Fragen widmet sich der vorliegende Sammelband<br />

<strong>Natur</strong> <strong>als</strong> <strong>Grenzerfahrung</strong>, wobei unter dem übergreifenden Symbol <strong>Natur</strong> so<br />

verschiedene Dinge wie „Berge und Sterne, Erdbeben und Wirbelstürme, Apfelbäume<br />

und Rosen ebenso wie Fische und Fliegen“ 19 verstanden werden. 20 Deshalb<br />

wird der Begriff „<strong>Natur</strong>“ hier relational verstanden, da es unmöglich erscheint,<br />

diesen unter alltäglicher, wissenschaftlicher und künstlerisch-literarischer Perspektive<br />

auf einen Nenner zu bringen. Eine Definition erscheint sinnlos, da „<strong>Natur</strong>“<br />

<strong>als</strong> Begriff „vielfältige und komplizierte Erfahrungen“ 21 signalisiert, weshalb auch<br />

eine scharfe Grenzziehung zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Ansätzen<br />

<strong>als</strong> problematisch aufzufassen ist. 22<br />

Somit ist der Sammelband im Anschluss an die Tagung <strong>Natur</strong> <strong>als</strong><br />

Grenz(E)rfahrung des DFG-Graduiertenkollegs 1024 „Interdisziplinäre Umweltge-<br />

17 Vgl. ebd., S. 185. Die von Nipperdey und auch von Joachim Ritter vertretene These der Kompensationsfunktion<br />

der transzendentalen <strong>Natur</strong>erfahrung innerhalb der Moderne wird von Groh und<br />

Groh zurückgewiesen, vgl. Groh, D. / Groh, R.: Weltbild und <strong>Natur</strong>aneignung. Zur Kulturgeschichte der<br />

<strong>Natur</strong>, Bd. 1, Frankfurt 21996, S. 105, 108. Sieferle spricht der Kunst erst für das 19. Jahrhundert eine<br />

kompensatorische Funktion zu, vgl. Sieferle: <strong>Natur</strong>, S. 99.<br />

18 Als kultivierte Lebensräume können in diesem Zusammenhang die bewohnten Regionen der Erde<br />

(Ökumene) bzw. die periodisch genutzten Siedlungsräume (Subökumene) definiert werden. In erster<br />

Linie sind klimatische Bedingungen für die in diesem Sinne zu verstehende natürliche Grenzziehung<br />

ausschlaggebend. Aber auch Relief, Art der Bodenbildung usw. können die Grenzbildung zwischen<br />

Ökumene, Subökumene und Anökumene, d. h. den unbewohnten bzw. unbewohnbaren Teilen der<br />

Erde, beeinflussen. Grenzen sind an dieser Stelle <strong>als</strong> Grenzräume zu verstehen, die in ihrer Ausdehnung<br />

variieren und außer von physischen Faktoren ebenfalls von wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Einflüssen bestimmt werden können. Die Ökumene ist nach außen relativ scharf von Meeres- und<br />

Polargrenzen begrenzt. Innerhalb der Ökumene bilden sich durch Höhen- und Trockengrenzen<br />

inselförmig Sub- und Anökumene ab, die sich u. a. in Abhängigkeit von Bevölkerungsverdichtung<br />

und Raumnot wesentlich weniger starr <strong>als</strong> die äußeren Grenzenräume verhalten. Ein Herauswagen in<br />

die Anökumene geschieht nur aus gewichtigen Gründen. Diese sind oftm<strong>als</strong> wirtschaftlicher (z. B.<br />

Bergbau) bzw. wissenschaftlicher Art (z. B. Wetterwarten). Vgl. Schwarz, G.: Allgemeine Siedlungsgeographie.<br />

Teil 1. Die ländlichen Siedlungen. Die zwischen Land und Stadt stehenden Siedlungen, in: Lehrbuch der<br />

Allgemeinen Geographie, Bd. 6, Berlin / New York 41988, S. 18-25.<br />

19 Groh, D. / Groh, R.: Die Außenwelt der Innenwelt. Zur Kulturgeschichte der <strong>Natur</strong>, Bd. 2, Frankfurt 1996,<br />

S. 92.<br />

20 Diese Eigenart des westlichen <strong>Natur</strong>begriffs, der sowohl lebende wie auch leblose Dinge umfasst,<br />

betont im Vergleich mit östlichen Vorstellungen auch Norwood in der World Encyclopedia of Environmental<br />

History; vgl. Norwood: <strong>Natur</strong>e, S. 876-877.<br />

21 Radkau, Umweltgeschichte, S. 14. Auch William Cronon hat früher darauf hingewiesen, dass es<br />

f<strong>als</strong>ch sei, unter umweltgeschichtlicher Perspektive von einem einheitlichen <strong>Natur</strong>begriff auszugehen.<br />

Vielmehr komme es darauf an, dessen Mehrdeutigkeit nicht zu unterdrücken, vgl. Cronon, W.: <strong>Natur</strong>e’s<br />

Metropolis. Chicago and the great West, New York / London 1991, S. XIX.<br />

22 Vgl. Gersdorf, C. / Mayer, S.: Ökologie und Literaturwissenschaft: Eine Einleitung, in: dies. (Hg.): <strong>Natur</strong><br />

– Kultur – Text. Beiträge zu Ökologie und Literaturwissenschaft, Heidelberg 2005, S. 11.

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