Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Zur Wahrnehmung und Bewältigung städtischer Wasserkrisen im späten 19. Jh.<br />
ten Straßen ein Dorn im Auge waren. In dem Berliner Polizeipräsidenten von<br />
Hinckeldey fand der Monarch schließlich einen Mann, der nicht nur das Interesse<br />
des Königs an einer „Modernisierung der preußischen Hauptstadt durch Reinigung<br />
der Rinnsteine und Straßen“ teilte. Von Hinckeldey gelang es auch, den Bau einer<br />
zentralen und vorrangig dem eben genannten Zweck verpflichteten Wasserversorgung<br />
gegen den Widerstand der städtischen Körperschaften durchzusetzen. 33<br />
3.2 Die dürstende Stadt: Darmstadt 34<br />
Mit derselben Motivation, nämlich eine Richtungsentscheidung herbeizuführen,<br />
trat Darmstadts Oberbürgermeister Albrecht Ohly am 31. Mai 1877 vor die Darmstädter<br />
Stadtverordnetenversammlung. Zu diesem Zeitpunkt währte die Debatte<br />
über die Einführung einer zentralen Wasserversorgung bereits sieben Jahre. Trotz<br />
umfangreicher Vorarbeiten war es den Verantwortlichen bis dahin jedoch nicht<br />
gelungen, sich zu dem Beschluss durchringen zu können, Brunnen und Quellwasserleitungen<br />
durch ein modernes Wasserwerk zu ersetzen.<br />
Einen Teil seines Trink- und Brauchwassers bezog Darmstadt, die Haupt- und<br />
Residenzstadt des Großherzogtums von Hessen und bei Rhein, Anfang der 1870er<br />
Jahre aus mindestens sechzehn Quellwasserleitungen. Deren Quellgebiete erstreckten<br />
sich über ein nord- bis südöstlich der Stadt und höher gelegenes Areal. Für<br />
zehn Leitungen war die Stadt, für jeweils drei Leitungen war der großherzogliche<br />
Hof einerseits und die örtliche Garnisonsverwaltung andererseits zuständig. Ein<br />
weiteres städtisches Rohrleitungssystem führte Bachwasser in die Stadt. Neben<br />
diesen öffentlichen Leitungen gab es noch eine unbekannte Zahl von privaten<br />
Wasserleitungen. Nur wenige Haushalte waren direkt an eine der öffentlichen Leitungen<br />
angeschlossen. Beispielsweise wurden 1864 bei einer Einwohnerzahl von<br />
knapp über 29.000 Personen nur 158 Anschlüsse registriert. Auch an die Quellwasserleitungen<br />
angeschlossen waren 25 öffentliche, über das Stadtgebiet verteilte<br />
Brunnen. Die Zahl der öffentlichen Schacht- und Pumpenbrunnen belief sich auf<br />
36. Nicht bekannt ist, wie viele private Brunnen es dam<strong>als</strong> gab.<br />
Bekannt ist hingegen, dass in der demographisch wie städtebaulich wachsenden<br />
Stadt bereits seit den 1820er Jahren Versorgungsengpässe auftraten. Dam<strong>als</strong><br />
sollen in den Sommermonaten Soldaten der Garnison öffentlichen Brunnen häufiger<br />
auch nachts Wasser entnommen haben, obwohl dies verboten war. Mit dem<br />
Anschluss Darmstadts an das Eisenbahnschienennetz und dem Bau zweier Bahnhöfe<br />
seit den späten 1840er Jahren verschlechterte sich die Situation merklich.<br />
33 Mohajeri, S.: 100 Jahre Berliner Wasserversorgung und Abwasserentsorgung 1840-1940, Alzey 2005, S. 28 f.,<br />
37-49. Das Zitat stammt von S. 46.<br />
34 Im Folgenden, wenn nicht anders angegeben: Stippak: Wasserversorgung, Kap. 3 (Anm. 2); Derselbe:<br />
Wasserversorgung und Kanalisation in Darmstadt 1870-1914. Diskussion – Einführung – Entwicklung,<br />
Darmstadt 2007, Kap. 3. Beide Publikationen enthalten weiterführende Quellen- und Literaturhinweise.<br />
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