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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Martin Knoll<br />

Closters niemallen in adelichen Handten gestandten, auch weder Schloss, Sedl,<br />

noch Anders dabey verhandten ist, im Ybrigen das daselbsten an sich selbst so<br />

gross und weit, sovillen Einflüssen berichter Chiemsee den einzigen Ausfluß, die<br />

Alz genant, habe [...].“ 3 Drei Monate später ist einem weiteren Schreiben der widerwilligen<br />

Berichterstatterin ergänzend zu entnehmen, Getreideanbau und Viehzucht<br />

in der Hofmark seien der vielen Nässe wegen schlecht, weswegen sich die<br />

Untertanen nur kümmerlich ernähren könnten. Wild sei überhaupt keines vorhanden.<br />

4<br />

Kurzum: Die Äbtissin sah wenig Sinn darin, einen Ort, dem es sowohl an kulturell-architektonischen<br />

Hervorbringungen <strong>als</strong> auch an herrschaftsgeschichtlicher<br />

Prominenz ermangelte, zu beschreiben. 5 Die Aussagen zur spärlichen naturräumlichen<br />

Ausstattung machte sie nur widerwillig. Sie leistete damit einen äußerst dünnen<br />

Beitrag zur empirischen Grundlage der Weningschen „Historico Topographica<br />

Descriptio“ Ober- und Niederbayerns, eines Werks, das mit seinen vier Foliobänden<br />

und rund 850 Grafiken <strong>als</strong> ambitionierter Vertreter der historischtopografischen<br />

Landesbeschreibung gelten kann. 6<br />

Diese Gattung steht im Zentrum des Interesses der hier vorliegenden Ausführungen.<br />

Autoren und Verleger frühneuzeitlicher topografischer Literatur erhoben<br />

den Anspruch, die Hervorbringungen von <strong>Natur</strong> und Kultur bestimmter Länder<br />

oder Regionen gleichermaßen zu dokumentieren. Matthäus Merian d. Ä. verspricht<br />

in der Vorrede seiner 1642 erstm<strong>als</strong> aufgelegten Topografie der Schweiz, alle Städte,<br />

Orte und Landschaften zu beschreiben und dabei auch der Flüsse, Felder und<br />

„andere[r] Lustbarkeiten“ eingedenk zu sein; 7 Georg Matthäus Vischer adelt in der<br />

3 Ebd. (Gross-/Kleinschreibung und Interpunktion normalisiert).<br />

4 Äbtissin Maria Irmingardis an Hofkammer, Frauenchiemsee 20. Juli 1720, BayHStA Staatsverwaltung<br />

1044, fol. 314r-315.<br />

5 Die Beschreibung des Klosters selbst war dagegen durchaus sorgfältig und umfangreich ausgefallen;<br />

vgl. Schuster, R.: Michael Wening und seine „Historico-topographica descriptio“ Ober- und Niederbayerns. Voraussetzungen<br />

und Entstehungsgeschichte, München 1999, S. 163.<br />

6 Seines hohen programmatischen Informationsgehalts wegen sei der Volltitel des Werks hier in<br />

seiner vollen Länge und barocken Schnörkelhaftigkeit zitiert: Historico Topographica Descriptio. Das ist<br />

Beschreibung / Deß Churfürsten- und Herzogtumbs Ober- und Nidern Bayrn. Welches in vier Theil oder Renntämbter<br />

/ Als Oberlandts München unnd Burghausen / Underlands aber in Landshuet und Straubing abgetheilt ist:<br />

Warbey alle Stätt / Märckt / Clöster / Graf- und Herrschafften / Schlösser / Probsteyen / Commenduren /<br />

Hofmarchen / Sitz und Sedl / deß gantzen Lands Gelegenheit / und Fruchtbarkeit / <strong>als</strong> Mineralien, Perlen / Saltz<br />

See / Fischereyen / Waldungen / und Jagdbarkeiten / wie auch anderen merckwürdigen Historien / so sich von einer<br />

zur anderer Zeit zugetragen haben / nicht allein außführlich beschriben / sondern auch durch beygefügte Kupffer / der<br />

natürlichen Situation nach / entworffner vorgestellt werden / so Von MICHAEL WENING / Churfürstl. Portier und<br />

Kupferstecher / in loco delinirter ins Kupfer gegeben worden / und allda zu finden ist (…), 4 Bde., München 1701-<br />

1726 [ND München 1974-1977]. Zu Michael Wening und der „Historico Topographica Descriptio“<br />

vgl. Schuster: Wening, 1999. Von der o. g. Hofmark Seebruck erhält der Leser der “Historico<br />

Topographica Descriptio“ folgerichtig nur die knappe Information, sie bestehe aus “44 Underthonen<br />

/ die sich vom Fischfang / und Traydtbau ernöhren“ (Wening: Descriptio II, S. 10).<br />

7 Merian, M. d. Ä. / Zeiller, M.: Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae. Das ist / Beschreibung unnd<br />

eygentliche Abbildung der vornembsten Stätte und Plätze in der Hochlöblichen Eydgnoßschafft<br />

/ Graubündten / Wallis / und etlicher zugewandten Orthen, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1654 [ND<br />

Braunschweig 2005], S. 9.

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