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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Marcus Stippak<br />

gesprochen – für den öffentlichen Personennahverkehr. Um speziell stadthygienischen<br />

Erwägungen Rechnung tragen zu können, waren vielerorts außerdem öffentliche<br />

Bade- und Bedürfnisanstalten errichtet, Schlacht- und Viehhöfe geschaffen,<br />

Fäkalienabfuhr und Bestattungswesen neu organisiert worden. In unterschiedlich<br />

starkem Maße betätigten sich Kommunen schließlich im öffentlichen Wohnungsbau.<br />

Derselbe Befund gilt auch für das kommunale Engagement auf dem Gebiet<br />

der Wasserversorgung. Zwischen 1870 und 1900 haben von den 1640 deutschen<br />

Städten, in denen mindestens 2000 Einwohner lebten, 52 Prozent eine zentrale<br />

Anlage zur Wasserversorgung erbaut. Die Motivation, eine derartige Einrichtung<br />

zu schaffen, variierte offensichtlich mit der Größe einer Kommune. So fällt auf,<br />

dass von den 150 Städten mit mindestens 25.000 Einwohnern alle eine neue Wasserversorgung<br />

eingeführt hatten. Von den 1490 Gemeinden mit mindestens 2000<br />

und höchstens 25.000 Einwohnern hatten dies hingegen „nur“ 696 getan. 18<br />

Den Ausschlag, die jeweilige Wasserversorgung technisch und organisatorisch<br />

neu auszurichten, gab indes nicht nur die Größe einer Kommune oder die sich in<br />

Deutschland seit den 1850er Jahren allmählich konstituierende Hygienebewegung.<br />

Jürgen Reulecke verwies schon früh auf den Umstand, bis in die 1860er Jahre hinein<br />

habe vor allem der in den wachsenden Städten steigende Bedarf an Löschwasser<br />

der Einführung eines solchen Systems häufig den Weg bereitet. Gleiches gelte<br />

für das Interesse privater Unternehmen, mit dem Verkauf von Wasser Profit zu<br />

erwirtschaften. Ein nennenswerter, gleichwohl nicht zwangsläufig alle anderen<br />

Aspekte überwiegender Einfluss sei von der Hygienebewegung hingegen erst seit<br />

den späten 1860er Jahren ausgegangen. 19 Man geht daher nicht fehl, wenn man im<br />

Einklang mit Richard J. Evans die von Gerhard, Wuttke und anderen um 1900 in<br />

lichten Tönen dargestellten Neuerungen <strong>als</strong> Resultate „eines komplexen Wechselspiels<br />

ökonomischer, politischer und ideologischer Kräfte“ betrachtet. 20<br />

In Abhängigkeit von den vor Ort unter Umständen gänzlich unterschiedlichen<br />

Ausgangsbedingungen wies dieses Wechselspiel zudem verschiedene Ausprägungen,<br />

Schattierungen, Facetten etc. auf. Zu nennen ist hier zunächst die Intensität,<br />

mit der eine Gemeinde von der Industrialisierung erfasst wurde und wie stark sie<br />

hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl und Flächenausdehnung wuchs. Ferner ist zu<br />

berücksichtigen, ob das bauliche Wachstum einer Kommune kontrolliert oder<br />

chaotisch vonstatten ging. Des Weiteren ist zu beachten, inwieweit die seit den<br />

1830er Jahren in Europa wiederholt aufgetretenen Choleraepidemien eine Gemeinde<br />

tatsächlich berührt haben. Neben der Anzahl der in einer Stadt lebenden<br />

Menschen gilt es auch die Zahl der in ihr gehaltenen Tiere mit einzubeziehen, die<br />

lange Zeit den städtischen Raum ebenfalls bevölkerten und deren Exkremente und<br />

18 Grahn: Wasserwerke, S. 309.<br />

19 Reulecke, J.: Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt a. M. 1985, S. 60.<br />

20 Evans, R. J.: Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830-1910, Reinbek bei<br />

Hamburg 1990, S. 154.

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