Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Eva-Maria Stolberg<br />
Die Überschwemmungen des letzten Jahrzehnts im Einzugsgebiet von Oder,<br />
Warthe und Weichsel haben im öffentlichen Bewusstsein - sowohl in Deutschland<br />
<strong>als</strong> auch in Polen - das Interesse an Flusslandschaften und den Erhalt ihrer natürlichen<br />
Bedingungen wieder erweckt. Allein bei dem Hochwasser von 1997 in Polen<br />
war 10 % des Territoriums mit 1,5 Millionen Menschen betroffen. Der finanzielle<br />
Schaden wurde auf 12 bis 15 Milliarden Złoty geschätzt. In Brandenburg beliefen<br />
sich die Kosten auf 648 Millionen DM. 12 Die naturräumlichen Gegebenheiten von<br />
Oder und Weichsel ähneln sich. Hydrografisch, aber auch siedlungsgeografisch<br />
bilden Oder und Weichsel eine Einheit. Hier stellt sich die provokante Frage, ob<br />
die Ströme tatsächlich Grenzlinien darstellten oder ob sie nicht vielmehr übergreifende<br />
Herrschaftsbildungen und Expansion erleichtert haben und damit Räume<br />
entgrenzen, d. h. dekonstruieren.<br />
Das Oderbruch ist aus dem Eberswalder Urstromtal entstanden, das sich von<br />
der Weichsel bei Toruń (Thorn) zur Zeit der Würm-Vereisung erstreckte und die<br />
Schmelzwasser der Gletscher in die Nordsee ableitete. Die beiden Ströme entwickelten<br />
seit Jahrhunderten in ihrem breiten und niederen Relief zahlreiche Wasserarme<br />
aus, wobei sich der Hauptabfluss verschob. Die seicht fließenden Wasserarme,<br />
deren Untergrund aus Sand oder Kies bestand, erschwerten einen schnellen<br />
Abfluss und der Grundwasserstand blieb nahe der Oberfläche. So traten – über die<br />
Jahrhunderte hindurch - Wasserarme vor allem im Frühjahr über die Ufer und<br />
gefährdeten seit dem Mittelalter Besiedlung und Ackerbau. Die heutige Agrarlandschaft<br />
im Oder-Weichsel-Raum ist das Ergebnis kulturtechnischer Maßnahmen<br />
insbesondere der letzten fünfhundert Jahre – dies sowohl von Seiten der deutschen<br />
wie auch der polnischen Bevölkerung. Hochwasserschutz und Entwässerung ermöglichten<br />
eine agrarische Besiedlung und Bodennutzung. 13 Im Oderbruch wie in<br />
den Weichselniederungen sind nur der Juli und August völlig frostfrei. Im Mai<br />
können periodisch Nachtfröste eintreten, die Vegetation wird nach längerer warmer<br />
Periode empfindlich geschädigt. Eine Analyse der Temperaturverhältnisse<br />
zeigt, dass sich der Oderbruch dem kontinentalen Klimacharakter der Weichselniederung<br />
nähert. So durchfließt die Oder unterhalb von Lebus und oberhalb der<br />
Warthemündung eine Trockenzone mit weniger <strong>als</strong> 500 Millimeter Jahresniederschlag.<br />
14<br />
Die Weichsel folgt heute noch von ihrem Eintritt in das polnische Tiefland bis<br />
Thorn (Toruń) den alten Urstromtälern. Zwischen den einzelnen Flussgebieten<br />
(Weichsel – Narew – Bug) bestehen innerhalb der Urstromtäler niedrige Talwas-<br />
12 Abschlussbericht der Landesregierung Brandenburg zum Oder-Hochwasser 1997, in: Märkische<br />
Oderzeitung vom 3. April 1998; Debicky, R.: <strong>Natur</strong>al and anthropogenic causes and effects of floods and other<br />
disastrous events in Poland: An introduction, in: International Seminar: Alleviating the needs of specific<br />
rural areas damaged by the summer floods 1997, Lublin/Wrocław 24.-29.03.1998.<br />
13 Hartung, J.: Die Entwicklung des Flusspolders Oderbruch durch Wasserbau und Melioration von Ende des<br />
19. Jahrhunderts bis Ende des 20. Jahrhunderts, in: Kniehase, H.-F., (Hg.): Kulturlandschaft Oderbruch,<br />
Scharbeutz / Wetter (Ruhr) 2003, S. 226.<br />
14 Roßteuscher, W.: Die Dauerweidefrage im Oderbruch, Berlin 1930, S. 15 f..