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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Die Katastrophe <strong>als</strong> darstellerisch-ästhetisches Ereignis<br />

Verlegers Abraham Wagner entstanden zwischen 1774 und 1787 rund zweihundert<br />

Alpengemälde zur Dokumentation der Gebirgswelt, die im Wagnerischen Cabinett<br />

präsentiert und in der Stichfolge Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer-Gebürgen und<br />

derselben Beschreibung herausgegeben worden sind. Das wissenschaftliche Interesse an<br />

der Vegetation, den Felsformationen und Gletscherformen beim Erstellen der<br />

Studien wich im Atelier dem Bemühen, dieses Gefühl des Erhabenen künstlerisch<br />

umzusetzen, das auch auf dem Kunstmarkt gefragt war. Die Gemälde wiederum<br />

hat Wolf auf spätere Wanderungen mitgenommen, um sie zu korrigieren und zu<br />

vollenden, ein für die damalige Zeit höchst ungewöhnliches Vorgehen. Gezeichnet<br />

und gemalt wurde „après la nature“, auf die topographische Richtigkeit dabei<br />

höchster Wert gelegt. 34 Als Authentizitätsbeweis, dass die Bilder tatsächlich vor<br />

Ort entstanden waren, wurde jeweils die Figur des Zeichners im Vordergrund dargestellt.<br />

Nur selten arbeiteten die Landschaftsmaler in Öl. Der Grossteil der Produktion<br />

von Landschafsbildern, die den Reisenden <strong>als</strong> Andenken in handlichen Formaten<br />

zum Kauf angeboten wurde, lag im Bereich der Druckgraphik, die hauptsächlich<br />

aus Ansichten von sehenswerten Orten, meist in Form von kolorierten Zeichnungen<br />

oder Radierungen bestand. Die Kunstproduktion, die sich daraus ergab,<br />

Radierermalerkunst, verbreitete sich rasch von Bern aus in der Schweiz und erlangte<br />

europäische Bedeutung. Dabei war der in Bern tätige Winterthurer Johann Ludwig<br />

Aberli (1723–1786) der eigentliche Begründer der bernischen Radierermalerkunst.<br />

Noch mehr <strong>als</strong> Caspar Wolf orientierte sich dieser am Bedürfnis nach<br />

Schönheit in der Malerei. Aufgrund der grossen Nachfrage nach den aquarellierten<br />

Blättern entwickelte er die kolorierte Umrissradierung, eine Technik, die ein<br />

schnelles und kostengünstiges Vervielfältigen erlaubte und in der Folge von zahlreichen<br />

Künstlern übernommen wurde. Die patentierte Aberlische Manier verbreitete<br />

sich unter Künstlern bald über Bern hinaus und wurde von vielen Schweizer Radierermalern<br />

35 übernommen. Die Ansichten, auch Veduten oder Prospekte genannt,<br />

der bernischen Radiermaler des 18. Jahrhunderts, haben ihre Wurzeln in<br />

den topgraphischen Darstellungen des vorangegangenen Jahrhunderts, zu denen<br />

beispielsweise diejenigen von Matthäus Merian dem Älteren gehören. Noch ganz<br />

in der Tradition Merians stehen etwa die in den 1740er Jahren erschienenen<br />

Ansichten von Bernischen Schlössern. Weit malerischer hingegen erscheinen die<br />

Landschaftsansichten aus den späten 1760er bis frühen 1780er Jahren. 36<br />

Die neue Käuferschicht der Touristen wünschte sich ein Erinnerungsstück an<br />

ihren Aufenthalt. Die Radierermaler folgten ihnen zu den beliebten Reisezielen<br />

34 Deuchler: Kunstbetrieb, S. 57.<br />

35 Die ältere Bezeichnung für Radiermaler, Kleinmeister, ist veraltet (Bähler: Darstellung, S. 342).<br />

„Klein-“ bezog sich dabei auf das Format der Bilder, denn Letztere mussten in das Reisegepäck der<br />

Touristen passen (Deuchler: Kunstbetrieb, S. 57).<br />

36 Schaller, M. L.: Annäherung an die <strong>Natur</strong>. Schweizer Kleinmeister in Bern 1750–1800, Bern 1990, passim;<br />

Bähler: Darstellung, S. 342–344.<br />

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