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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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48 Eva Schumann<br />

325 folgt dann die Tierhalterhaftung, die in Kapitel 326 um den Gedanken ergänzt<br />

wird, dass Rache- und Fehdehandlungen in diesen Fällen von vornherein ausgeschlossen<br />

sind, weil keine absichtliche Schädigung durch das Tier vorliegt. 95<br />

4.3 Personifizierung von Tieren oder einheitliche Betrachtung von<br />

Lebewesen?<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass im mittelalterlichen Unrechtsausgleichssystem vor<br />

der Rezeption des römischen Rechts Menschen (Freie wie Unfreie) und Nutztiere<br />

nach denselben Grundsätzen behandelt wurden. Dass die Wergelder und Bußen<br />

bei Unfreien und Nutztieren an den jeweiligen Eigentümer fielen, spricht keineswegs<br />

für eine sachenrechtliche Einordnung, vielmehr standen auch Wergelder und<br />

Bußen für Frauen und Kinder nicht diesen selbst zu, sondern fielen an die Familie<br />

bzw. an die männlichen Verwandten. Auch der Festsetzung der Höhe der Wergelder<br />

und Bußen nach dem Wert des Tieres liegt keine sachenrechtliche Einordnung<br />

zugrunde, denn auch freie Menschen wurden nach ihrem individuellen Wert (abhängig<br />

von sozialem Stand, Geschlecht und Alter) beurteilt.<br />

Dennoch muss diese „Gleichstellung“ von Menschen und Tieren nicht<br />

zwangsläufig <strong>als</strong> Personifizierung von Tieren gedeutet werden, 96 vielmehr liegt dem<br />

mittelalterlichen Recht eine lebensnahe Rechtsanschauung zugrunde, die die Verletzung<br />

von Lebewesen von der Beschädigung nicht belebter Dinge unterscheidet.<br />

97 Tiere mussten nicht vermenschlicht werden, weil sie ohnehin – ebenso wie<br />

alle Menschen (einschließlich der Unfreien) – im Bereich der Verletzung von Leib<br />

und Leben der Kategorie „Lebewesen“ <strong>als</strong> Oberbegriff zugeordnet wurden. 98<br />

5 Fazit<br />

(1) Eine Personifizierung von Tieren ist dem mittelalterlichen Recht fremd. Stattdessen<br />

wurden im Bereich des Unrechtsausgleichs bis zur Rezeption des römischen<br />

Rechts alle Lebewesen rechtlich einheitlich behandelt, d.h. das mittelalterliche<br />

Recht unterschied im Gegensatz zur römisch-rechtlichen Dichotomie personae<br />

95 Edictus Rothari 325, 326: De quadrupedia, si in hominem aut in peculium damnum fecerit: ipse conponat<br />

damnum, cuius fuerit peculius. Si caballus cum pede, si boues cum corno, si porcus cum dentem hominem intrigauerit<br />

aut si canis morderit, excepto, ut supra, si rabiosus fuerit: ipse conponat homicidium aut damnum, cuius animales<br />

fuerit, cessante in hoc capitulo faida (quod est inimicitia), quia muta res fecit, nam non hominis studium.<br />

96 So auch – mit anderer Begründung – v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 582 ff.<br />

97 Ähnlich auch Oestmann, Tier, S. 20: „Durch die Zuerkennung eines Wergeldes wurde die Rechtsstellung<br />

des Tieres von anderen Sachen bewusst abgehoben.“<br />

98 An anderen Stellen des Unrechtsausgleichs sieht das mittelalterliche Recht aber durchaus Differenzierungen<br />

zwischen Menschen und Tieren vor, so etwa wenn Sachsenspiegel Landrecht II 40 § 3<br />

anordnet, dass Tiere – im Gegensatz zu Menschen – für ihre „Taten“ keine „Wette“ (Geldstrafe) an<br />

den Richter zahlen müssen (Vie verbort kein gewette kegen deme richter an siner tat).

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