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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Sammelnde Wissenschaft<br />

seiner Gemeinschaft teilt, orientiert sich auch seine Ordnung der gesammelten<br />

Objekte.<br />

Diese Objekte gewinnen mit ihrer Einordnung Bedeutungen, welche über ihr<br />

bloßes Vorhandensein und ihren Nutzen hinausweisen. Die Objekte verweisen<br />

zunächst auf den Kontext, dem sie entnommen worden sind, dann auch im neuen<br />

Kontext der Sammlung aufeinander und schließlich <strong>als</strong> Teile der Sammlung auf<br />

den Sammler, der sie sich angeeignet hat. Sammlungen gehören zur erweiterten<br />

Persönlichkeitssphäre ihres Besitzers. Krzysztof Pomian hat hier zwischen zwei<br />

Typen von Sammlungen unterschieden, solchen, bei denen es mehr auf den Nutzen<br />

und solchen, bei denen es mehr auf die Bedeutung der Sammelobjekte ankommt.<br />

23 Dies ist kein ausschließlicher Gegensatz, denn stets sind beide Aspekte<br />

gegeben, wenngleich in unterschiedlichem Mischungsverhältnis. Gleichsinnig<br />

spricht Manfred Sommer von „akkumulierend-ökonomischen“ und „differenzierend-ästhetischen“<br />

Sammlungen. 24 Jene bleiben meist nicht so lange beisammen<br />

wie diese, die wegen der Bedeutungen, die sie tragen, auf Dauer angelegt sind und<br />

so eine Eigendynamik gewinnen: „Jede Sammlung [dieses Typus, J. St.] strebt das<br />

Ideal der umfassenden Repräsentativität an“ (Boris Groys). 25 Die Bedeutung der<br />

Sammelobjekte ist es, von der die sammelnde Empirie ausgeht.<br />

Dagegen ist das akkumulierend-ökonomische Sammeln das ursprünglichere.<br />

Die von den „Jägern und Sammlern“ („Wildbeutern“) ihrer Umwelt entnommenen<br />

Lebensmittel und Gebrauchsgüter verbleiben nicht lange beim Sammler; es besteht<br />

die Erwartung, dass er sie weiterverteilt. Trotzdem sind es Sammlungen im hier<br />

gemeinten Sinne, denn der Sammler vefügt über die Objekte, indem er sie vorzeigt<br />

und weiterverteilt. Dadurch demonstriert er zum einen seinen ursprünglichen Besitz<br />

an den Objekten und festigt zum anderen sein Anrecht darauf, nun auch seinerseits<br />

derart bedacht zu werden. In der Gemeinschaft („Horde“, „Jagdschar“)<br />

gibt es <strong>als</strong>o ein ständiges Hin und Her von Gaben und Gegengaben, welches die<br />

Gemeinschaft zusammenhält und es ihr ermöglicht, ohne Vorratswirtschaft mobil<br />

zu bleiben und so ihr Territorium optimal auszubeuten. Doch auch hier gibt es<br />

nichtutilitäre Sammelobjekte wie zum Beispiel Schmuck. Solche Objekte kommen<br />

gewöhnlich von der Peripherie des Gruppenterritoriums oder von jenseits seiner<br />

Grenzen und verweisen damit über die Eigensphäre hinaus in die weite Welt. Und<br />

dieser Verweischarakter überwiegt ihren Nutzen; solche Objekte verleihen ihrem<br />

Besitzer Prestige und verweisen dazu oft auf die Sphäre des Übernatürlichen. 26<br />

Nichtutilitäre Sammelobjekte sind haltbarer, ästhetisch ansprechender und geschätzter<br />

<strong>als</strong> utilitäre; sie verbleiben darum tendenziell länger beim Besitzer und ihr<br />

Zusammenbringen kann <strong>als</strong> der Ursprung differenzierend-ästhetischen Sammelns<br />

23 Pomian, K.: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1986, S. 46 ff..<br />

24 Sommer: Sammeln, S. 30-32 und 432. – In seinem antikischen Verdichtungsideal kann Sommer<br />

seine Vorgänger nicht zitieren, höchstens nebenbei erwähnen.<br />

25 Groys, B.: Logik der Sammlung. Am Ende des musealen Zeitalters, Wien 1997, S. 39.<br />

26 Vgl. etwa Kelly, R. L.: The foraging spectrum: diversity in hunter-gatherer lifeways, Washington, D. C. 1995.<br />

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