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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Tiere sind keine Sachen<br />

Ebenfalls im Alten Testament, im 3. Buch Moses 20, 15-16, ist unter den<br />

Strafbestimmungen für schwere Sünden die Sodomie mit der Todesstrafe für<br />

Mensch und – so könnte man meinen – für das missbrauchte Tier belegt. 69 Die<br />

Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V., die Constitutio Criminalis Carolina<br />

(CCC) von 1532, bestrafte Sodomie wie Homosexualität mit dem Feuertod, der im<br />

Falle der Sodomie auch an dem missbrauchten Tier vollzogen wurde. 70 Der Feuertod<br />

für Mensch und Tier im Falle der Sodomie ist jedoch nicht nur in normativen<br />

Quellen und der Praktikerliteratur gut belegt, 71 darüber hinaus sind auch zahlreiche<br />

Fälle seit dem 15. Jahrhundert überliefert, in denen der verurteilte Sodomit zusammen<br />

mit dem missbrauchten Tier verbrannt wurde. 72<br />

Allerdings handelt es sich auch bei der Tötung des zur Sodomie missbrauchten<br />

Tieres um keine Tierstrafe (Dinzelbacher spricht von einer „unechten“ Tierstrafe),<br />

73 weil dem Verbrennen des Tieres der Gedanke zugrunde lag, dass alles, was an<br />

die Tat erinnerte, vernichtet werden sollte. 74 Diese Begründung wird nicht nur im<br />

Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 ausdrücklich<br />

in den Gesetzestext aufgenommen, 75 sondern findet sich auch schon in zahlreichen<br />

Strafrechtshandbüchern und Kommentaren zur Carolina seit dem 16. Jahrhundert:<br />

Und möchte jemandts fragen / warumb die unvernünfftigen Thier dißfalls gleich den Menschen<br />

zur straffe gezogen werden / da sie doch keinen vorsatz oder vorstand wider die Gesetze zu sündigen<br />

haben können […]. Und geschicht nit darum / daß die verwirckung deß Thiers hiemit<br />

gestrafft werde / sondern dieweil es das Werckzeug ist / mit welche der Mensch das viehisch<br />

Laster vollbracht / ist es auch billich / daß es zu gleich mit dem Menschen außgetilget vnd<br />

vmbracht werde. Denn es je ein groß ärgerniß und Greuwel were / daß solch Thier vberblei-<br />

69 Dazu auch Guggenbühl, Mit Tieren, S. 35 ff., insb. S. 42 ff.<br />

70 Art. 116 CCC Straff der vnkeusch, so wider die natur beschicht: Item so eyn mensch mit eynem vihe, mann mit<br />

mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vnd man soll sie der gemeynen gewonheyt<br />

nach mit dem fewer vom leben zum todt richten. Vgl. auch Guggenbühl, Mit Tieren, S. 44 ff., 48 ff.<br />

71 Vgl. nur Sawr, Straffbuch, fol. 42 f.; Rauchdorn, H., Practica und Proceß Peinlicher Halßgerichts Ordnung,<br />

Frankfurt a. M. 1564 (Nachdruck 2000), fol. 46 (beide mit Hinweis auf die gemeine Gewonheit bzw. den<br />

gemeinen brauch). Dazu auch Steppan, Tier, S. 165 ff. mwN.<br />

72 Guggenbühl, Mit Tieren, S. 51 ff. (allgemeiner Überblick), S. 225 ff., 248 f., 256 ff., 263, 272 ff.,<br />

280 ff., 292 ff., 296 f. (Einzelfälle). Vgl. weiter Berkenhoff, Tierstrafe, S. 103 ff.; Gerick, Recht,<br />

S. 65 ff.<br />

73 Dinzelbacher, Mittelalter, S. 125 f.<br />

74 Das „Austilgen“ aller an der Tat beteiligten Lebewesen sah das spätmittelalterliche Recht (Sachsenspiegel<br />

Landrecht III 1 § 1; Schwabenspiegel Landrecht Art. 254) auch im Falle einer Vergewaltigung<br />

vor, wenn der Frau trotz Schreien niemand zu Hilfe kam. In diesem Fall sollten alle Menschen und<br />

Tiere, die sich im Haus während der Tat aufgehalten hatten, getötet und das Haus niedergerissen<br />

werden, damit nichts mehr an das Geschehen erinnerte (dazu Grimm, J., Über die Notnunft an Frauen,<br />

Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft 5 (1841), S. 1, 16 ff.). Dazu insgesamt<br />

v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 556 f.; Laufs, Tier, S. 116 ff.; Sellert, Tier, S. 75 f.<br />

75 ALR II 20 § 1069. Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit<br />

hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens. § 1070. Es soll daher ein<br />

solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden<br />

hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte<br />

Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.<br />

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