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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Monika Gisler<br />

massen zum guten Ton, Bildungsreisen – sogenannte Grand Tours – zu unternehmen.<br />

27 Städte wie Paris, Heidelberg, Wien, Florenz und Rom waren die Reiseziele<br />

– die Alpen, dabei oft auf dem Weg von Frankreich über den Simplonpass<br />

nach Italien überquert, wurden dabei meist <strong>als</strong> Hindernis wahrgenommen, das es<br />

schnellstmöglich zu passieren galt. Nun aber – nach Beendigung des Siebenjährigen<br />

Krieges (1756–1763) – kamen sowohl aus England <strong>als</strong> auch aus Deutschland<br />

Scharen von Gästen, um sich in der frischen Bergluft zu erholen. Man begann, die<br />

Alpen selbst zu einem Reiseziel zu machen. Der Besuch der Berner Alpen war<br />

unerlässlicher Teil einer Bildungsreise, das Berner Oberland und die Ufer des Genfersees<br />

etablierten sich denn auch <strong>als</strong> frühe Touristenorte. Auch die Region um<br />

den Vierwaldstädtersee und in erster Linie die Rigi gehörten zu den beliebtesten<br />

Reisezielen und lockten viele Besucher an. 28 Jährlich pilgerten Tausende von Menschen<br />

zur Stätte Zu Unserer Lieben Frau zum Schnee auf die Rigi-Klösterli. Wie bereits<br />

Goethe anlässlich seiner Reise im Jahre 1775 schätzten viele die frische Alpenluft<br />

und die schöne Aussicht der Rigi. 29 Parallel dazu häuften sich die Publikationen<br />

von Reiseberichten aus der Schweiz: jährlich wurden zwischen drei und vier<br />

Bücher über Schweizreisen publiziert, während es in der gesamten Zeitspanne von<br />

1700–1770 insgesamt nur deren vierzig gewesen waren. 30<br />

Bedient wurden die Reisenden dabei nicht nur mit literarischen oder naturkundlichen<br />

Darstellungen. Vielmehr nahm mit dem zunehmenden Interesse an den Alpenreisen<br />

auch die Produktion und Rezeption alpiner Landschaftsbilder zu. 31 Das<br />

Angebot an Alpenmotiven in Gemälden und grafischen Blättern richtete sich an<br />

die Touristen. Zimmerdekorationen mit Veduten („Getreue Landschaftsbilder“)<br />

und Landschaftsfantasien deckten ein doppeltes Bedürfnis ab: die Dokumentation,<br />

wie die Welt aussieht (oder auszusehen hat) und die Ausstattung mit einer angenehmen<br />

<strong>Natur</strong>. 32 Die ganze Welt konnte im Abbild durchwandert werden – ohne<br />

Kälte, Hitze und Gefahren ausgesetzt zu sein. Die Faszination für <strong>Natur</strong>phänomene<br />

offenbart sich schon im Werk von Caspar Wolf (1735–1783), der aus diesem<br />

Grund oft <strong>als</strong> Maler „im Vorfeld der Romantik“ bezeichnet wird. 33 Mit Stift und<br />

Zeichenblock begab sich der Aargauer in die Bergwelt. Im Auftrag des Berner<br />

27 Paravicini, W.: Der Grand Tour in der europäischen Geschichte: Zusammenfassung, in: Babel, R. / Paravicini,<br />

W. (Hg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert.<br />

Akten der internationalen Kolloquien in der Villa Vigoni 1999 und im deutschen historischen Institut<br />

Paris 2000, Ostfildern 2005, S. 657–674.<br />

28 Zu den Radiermalern und ihrer Kundschaft Deuchler: Kunstbetrieb, S. 57–65.<br />

29 Schmid: Berge, S. 35–37.<br />

30 Hentschel: Mythos, S. 1–2.<br />

31 Aufschlussreich dazu weiterhin Boerlin-Brodbeck: Entdeckung, S. 254–270.<br />

32 Bätschmann, O.: Malerei der Neuzeit, Disentis 1989, S. 127–136.<br />

33 Bähler, A. K.: Die Darstellung der Landschaft in der bernischen „Radierermalerkunst“, in: Hollenstein, A.<br />

u. a. (Hg.): Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008 (= Berner Zeiten Bd. 4),<br />

S. 341–347, hier S. 346.

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