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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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„O biegu rzek“: Zwischen Oder und Weichsel.<br />

2 Topografie des Fließens und Veränderns: <strong>Natur</strong>geografische<br />

Rahmenbedingungen<br />

Die Eigendynamik von Flüssen, ihr für die Menschen unberechenbarer natürlicher<br />

Charakter des Fliessens und Veränderns, lässt sich nur schwer in nationalistische<br />

Paradigmen der Grenzziehung und kulturellen Abgrenzung, wie sie das 19. und 20.<br />

Jahrhundert pflegten, zwängen. Dies zeigte sich an den staatlichen Flussregulierungsarbeiten<br />

im 19. und 20. Jahrhundert, auf die noch an späterer Stelle eingegangen<br />

wird. Der natürliche Charakter des Fließens und Veränderns war dagegen vor<br />

allem den zeitgenössischen Dichtern bewusst. So symbolisiert in der westpreußischen<br />

Heimatliteratur wie bei Oskar Loerke (1884-1941) der Strom (hier die<br />

Weichsel) in seiner <strong>Natur</strong>mächtigkeit das „Überzeitliche“ 8, das – wie in seinem<br />

Gedichtzyklus „Pansmusik“ - nationale und kulturelle Grenzen überwindet. In<br />

„Pansmusik“ hat Loerke seine Kindheitserinnerungen an die polnischen Holzflösser<br />

auf der Weichsel verarbeitet. 9 Schließlich wird in den Gedichten „Weichselfahrt“<br />

und „Graudenz“ die Fahrt auf dem Strom zu einem Dahinfließen in einen<br />

metaphysischen Raum. Die Topografie bleibt nebulös, die historische Wirklichkeit<br />

wird nur in Umrissen gezeichnet. Ziel ist es, einen historischen Erinnerungsraum<br />

über die Zeitlichkeit hinaus zu schaffen. 10<br />

Ein anderes Bild vom deutsch-polnischen Umgang zeichnet dagegen Theodor<br />

Fontane 1879 auf der Oder in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“:<br />

„Die Schiffer blicken (...) mit geteilter Empfindung auf die Schleppdampfer; nicht so<br />

die Floßführer. Diese geben sich ungeschwächt einer einzigen Empfindung, und zwar<br />

ihrem polnischen, oder böhmisch-oberschlesischen Hasse hin. Sie können es wagen. Das<br />

Floss, das an manchen Stellen die halbe Breite der Oder deckt, kann wohl den Schleppschiffen,<br />

aber das Schleppschiff kann nie und nimmer dem Floße gefährlich werden.<br />

Wenigstens nicht ernstlich. Es liegt <strong>als</strong>o kein Grund vor, weshalb sie mit ihrer Abneigung<br />

hinter dem Berge halten sollten. Und zu dieser Abneigung mangelt es nicht an triftigen<br />

Gründen. Die Schleppdampfer nämlich, weil sie den Flößen in Wahrheit weder nützen<br />

noch schaden können, begnügen sich damit, die reizbare slawische <strong>Natur</strong> zu nörgeln und<br />

zu ärgern. Wie Reiter, die lustig durch einen Tümpel jagen, alles, was in der Nähe ist, nach<br />

rechts und links hin mit Wasser und Schlamm bespritzen, so jagen hier die Dampfer an<br />

dem schwerfällig zur Seite liegenden Floß vorüber und unterhalten sich damit, das Floss<br />

unter Wasser zu setzen.“ 11<br />

8 Vgl. Lange, H.-S.: „Die Nähe der Ferne“: Zu Oskar Loerkes Westpreußenbild, in: Stüben, J., (Hg.) Ostpreußen<br />

– Westpreußen – Danzig. Eine historische Literaturlandschaft. Schriften des Bundesinstituts<br />

für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Band 30, München 2007, S. 481 f..<br />

9 Ebd., S. 482.<br />

10 Ebd., S. 483 f..<br />

11 Zit. nach Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Das Oderland, München 1994,<br />

S. 10 f..<br />

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