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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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44 Eva Schumann<br />

4.1 Der mittelalterliche Unrechtsausgleich<br />

Das frühmittelalterliche Recht, d.h. die zwischen 500 und 800 aufgezeichneten<br />

Rechte der germanischen Stämme, die sog. Volksrechte der Goten, Franken,<br />

Langobarden, Alemannen, Bajuwaren, Thüringer, Sachsen und Friesen, kannte drei<br />

Formen des Unrechtsausgleichs: Erstens die Selbsthilfe in Form von Rache und<br />

Fehde, zweitens die Zahlung einer Geldbuße von der Täter- an die Opferseite und<br />

drittens in Ausnahmefällen auch öffentliche Strafen. Als zentrales Anliegen der<br />

Volksrechte wird die Ablösung der Selbsthilfe durch ein geordnetes Verfahren des<br />

Täter-Opfer-Ausgleichs in Geld beschrieben, während Strafen vor allem bei Versagen<br />

dieses Ausgleichs, meist subsidiär, angeordnet wurden.<br />

Die Höhe der Bußen bestimmte sich nach der Art der Verletzung und dem<br />

Wert des Opfers, das heißt bei einem Menschen nach dessen sozialer Stellung,<br />

Geschlecht und Alter. Der volle Wert eines Menschen war im Falle der Tötung zu<br />

bezahlen; diese Totschlagsbuße wurde <strong>als</strong> „Wergeld“ bezeichnet (was nicht ein<br />

„Mann“-geld im engeren Sinne meint, sondern eher mit „Menschen“-geld zu übersetzen<br />

ist, weil auch für die Tötung von Frauen und Kindern Wergelder zu bezahlen<br />

waren). Schwere Körperverletzungen, insbesondere solche, die zu einem<br />

(Funktions-)Verlust eines Körperteils führten, waren mit einem Wergeldbruchteil<br />

auszugleichen, alle anderen Verletzungen mit Bußen, deren Höhe sich nach Art<br />

und Schwere der Verletzung bestimmte. Dieses sog. Kompositionensystem (von<br />

lat. compositio für Buße) galt für freie und unfreie Menschen gleichermaßen, wenngleich<br />

für die Tötung eines Unfreien aufgrund dessen minderen Standes eine deutlich<br />

geringere Totschlagsbuße zu bezahlen war. Die hohen Wergelder wurden häufig<br />

von der gesamten Familie des Täters aufgebracht und teilweise sogar über Generationen<br />

abbezahlt; Empfänger des Wergeldes waren auf der Opferseite alle<br />

fehdeberechtigten männlichen Verwandten. Im Sinne einer reinen Erfolgshaftung<br />

wurden die Bußen und Wergelder unabhängig vom Verschulden des Täters fällig,<br />

so dass ein Ausgleich in Geld auch dann zu erfolgen hatte, wenn der Tod oder die<br />

Verletzung aufgrund einer Gefährdung eingetreten oder durch ein Tier verursacht<br />

worden war. 82<br />

4.2 Die Einordnung von Nutztieren in dieses System<br />

In diesem Unrechtsausgleichssystem wurden – wie die folgenden Beispiele zeigen<br />

– Tiere und Menschen nach einheitlichen Kriterien behandelt. 83<br />

82 Dazu insgesamt Schumann, E., Buße, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1,<br />

2. Aufl. Berlin 2008, Sp. 789 ff. mwN.<br />

83 Einen Überblick gibt auch Oestmann, Tier, S. 17 ff.

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