Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Eva-Maria Stolberg<br />
Tribut- und Abgabeneintreibung, der Fluss- und Wegkontrolle. Das Oderbruch<br />
stellte dam<strong>als</strong> ein Durchgangsgebiet für den überregionalen Ost-Westverkehr dar.<br />
Zu dieser Zeit bestand bereits eine Schifffahrt auf der Oder. Seit dem Ende des 10.<br />
Jahrhunderts wurde z. B. Schlesien mit Heringen aus der Ostsee versorgt. 17 Das<br />
Gebiet des Weichselbogens wurde im 9. und 10. Jahrhundert von zahlreichen slawischen<br />
Stämmen allmählich besiedelt: die Weichselslawen (Wislanen) im Gebiet<br />
der oberen Weichsel, die Masowier im heutigen Masowien, die Kujawier nördlich<br />
des Goplossees. Neben den Weichselanwohnern siedelten die Polanen im Inneren<br />
des Weichselbogens. Aus diesen Stämmen ging im Verlaufe des 10. Jahrhunderts<br />
das polnische Volk hervor. 18<br />
Da sich die polnischen Siedler im Kulmerland östlich der Weichsel von den<br />
heidnischen Prussen bedroht fühlten, rief Konrad von Masowien um 1230 die<br />
Ritter des Deutschen Ordens zu Hilfe. Dieser hat in den folgenden Jahrzehnten<br />
die Prussen unterworfen und bekehrt. Er hat auch gleichzeitig deutsche Ritter,<br />
Bauern und Bürger herangeholt, um Burgen, Dörfer und Städte zu begründen.<br />
Damit begann die so genannte deutsche Ostkolonisation, die jenseits<br />
nationalistischer Paradigmen des 19. und 20. Jahrhunderts – jedoch <strong>als</strong> ein<br />
deutsch-polnischer Siedlungsprozess der ostmitteleuropäischen Flusslandschaft zu<br />
bezeichnen ist. Auch aus Holland und Flandern haben sich nicht wenige Siedler<br />
niedergelassen, 19 so dass man im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nicht von<br />
einem rein deutschen, sondern von einem europäischen Siedlungsprozess sprechen<br />
muss. Die holländische Zuwanderung erfolgte vor allem während des Dreißigjährigen<br />
Krieges. In den Weichselniederungen wurden Mennoniten aus den Niederlanden<br />
angesiedelt; sie legten im Weichsel-Nogat-Delta und stromaufwärts bei Marienwerder,<br />
Graudenz, Kulm und Thorn zahlreiche neue Bauernhöfe an. Wiederum<br />
wurde auch ihnen ein Sonderrecht zuteil, das „Holländerrecht“, nach dem sie<br />
ihre Grundstücke in Erbpacht besitzen und ihre Gemeindeangelegenheiten selbständig<br />
regeln konnten. 20<br />
In der Kernlandschaft der mittelalterlichen polnischen Territorialbildung, <strong>als</strong>o<br />
im Raum des Weichselbogens, erfolgte die entscheidende Weiterentwicklung zur<br />
Kulturlandschaft im 13. und 14. Jahrhundert. Dieser Prozess war durch eine weitgehende<br />
Zurückdrängung des Waldes, in einer Ausweitung und intensiven Bearbeitung<br />
der Ackerfläche, dann aber auch in der Neuanlage vieler Dörfer, und schließlich<br />
in der Gründung von Städten markiert. Die zunehmende Bedeutung, die in<br />
M. (Hg.): Neighborhood Dilemmas: The Poles, the Germans and the Jews in Pomerania along the<br />
Vistula River in the 19th and 20th century, Toruń 2002, S. 188 ff.. Vgl. auch Orzechowski, M.: Odra -<br />
Nysa Łużycka - Bałtyk w polskiej myśli politycznej okresu II wojny światowej, Wrocław 1969.<br />
17 Herrmann, J.: Burgen im Oderbruch seit der Jahrtausendwende, in: Kniehase, Kulturlandschaft Oderbruch,<br />
Scharbeutz/Wetter (Ruhr) 2003, S. 283 f..<br />
18 Thomaschky, P.: Die Ansiedlungen im Weichsel-Nogat-Delta, o. O. 1887, S. 29.<br />
19 Keyser, E.: Westpreußen. Aus der deutschen Geschichte des Weichsellandes, Würzburg 1967, S. 16.<br />
20 Ebd, S. 21.