Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Cornel Zwierlein<br />
einen so feuerfesten Baubestand ihr eigen nennen und die entsprechende Kalkulation<br />
wäre sehr viel riskanter gewesen. In London waren in den 15 Jahren nach dem<br />
Great Fire schon wieder 97 Häuser von geschätzten 24.000 abgebrannt. 40 Die Schadenswahrscheinlichkeit<br />
war in London <strong>als</strong>o mehr <strong>als</strong> dreimal so hoch wie in Zürich<br />
nach den Kriterien der frühen Versicherungsprojektemacher. Die überaus akkurate<br />
Berechnung des Werts der Häuser in Zürich und der entsprechend nötigen Einrichtung<br />
der Versicherung erscheint so in gewisser Weise pittoresk, geht es doch<br />
um den Ersatz von einem Haus alle 10 Jahre. Die Legitimität der entsprechenden<br />
Beiträge, die einen stetig wachsenden Fonds hätten ergeben sollen, dürfte fragwürdig<br />
gewesen sein. Demgegenüber zählte der Hannoveraner Anonymus, der 1751 in<br />
den Hannoverschen Gelehrten Anzeigen den Startschuss für die breite Diskussion in<br />
den Aufklärungszeitschriften über Brandkassen und –versicherungen gab, 700<br />
abgebrannte Gebäude in den kleinen Städten und 351 abgebrannte Gebäude in den<br />
Dörfern des Herzogtums in den 21 Jahren von 1729 bis 1749: freilich bei einer<br />
wesentlich höheren Anzahl Häuser. 41<br />
Allerdings zeigt Wasers Abhandlung, was durchaus möglich war: Statt einen<br />
über den Daumen gepeilten Durchschnittswert von Häusern anzunehmen, wird<br />
hier die Frage der Einrichtung einer Versicherung zum Anlass für eine komplexe<br />
wirtschaftsgeschichtliche Investigation zu Löhnen, Preisen, Häuserwert-<br />
Entwicklungen, Wohnraumverhältnissen und vielem mehr, das hier nicht weiter im<br />
Detail auszubreiten ist.<br />
Brückner im Nachbarkanton Bern hatte auch <strong>als</strong> die zwei Hauptvoraussetzungen<br />
für die Kalkulation bei der Einrichtung einer Feuerversicherung „die Tot<strong>als</strong>umme<br />
des würklichen Werthes aller Häuser im ganzen Canton, und andertheils<br />
der Betrag des zu ersetzenden Schadens“ angeführt. Hinsichtlich der „Tot<strong>als</strong>umme“<br />
muss er dann eingestehen, dass das „erste von diesen Erfordernissen […]<br />
gänzlich von etwas ab[hängt], was ein Privatmann zu bewähren unmöglich im<br />
Stande ist“, und auch die Schadensberechnung könne man „höchstens nach Wahrscheinlichkeit<br />
durch Induction […] aus Nachrichten […] in den Registern der<br />
40 Anon. [Nicholas Barbon?]: An Enquiry, Whether it be the Interest of the City To Insure Houses from Fire;<br />
And whether the Insured may expect Any Advantage thereby, more than from the Insurance-Office already Setled,<br />
London 1681, S. 3.<br />
41 Anon.: Gedanken von der Einrichtung und dem Nutzen der in den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und<br />
Grubenhagen zu errichtenden Brand-Assecurationssocietät, nebst der Untersuchung einiger dagegen etwa zu machenden<br />
Einwürfe, in: Hannoverische Gelehrte Anzeigen 1751, 9. Stück, S. 293-301, 299 f.: hier auch schon das<br />
Argument des Vergleichs von Grundschuld-Zinssenkung und Kassenbeitrag: Die Versicherungssumme<br />
aller Häuser betrage etwa 10.000.000 Reichstaler, der Schaden während der 21 Jahre belaufe<br />
sich auf 96.000 Rt, <strong>als</strong>o ca. 4.600 Rt pro Jahr. Jemand, der sein Haus für 3000 Rt versichert habe,<br />
müsse 1 Rt, 19 Mariengroschen, 13/5 Pfennige dafür zahlen. Wenn er aber wegen der höheren<br />
Sicherheit seiner Häuser 0,5 % weniger Zinsen auf sein durch Hypotheken gesichertes Kapital zahlen<br />
müsse, würde er pro 1000 Rt Schulden 5 Rt sparen, die er frei investieren könne.