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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Natürliche Erfahrungsgrenzen<br />

füllen‘, schufen ihre Nachfolger wieder farbig darstellbare Flächen von Herrschafts-,<br />

‚Stammes‘- oder gar ‚Rassen‘-Zugehörigkeit. Diese stellten auch für Barth,<br />

sofern sie korrekt ‚kartiert‘ und gelesen wurden, eine entscheidende Grundlage für<br />

Handlungen und Wahrnehmungsverarbeitungen dar.<br />

Seine Beiträge zur Konstruktion eines immer detaillierteren Wissens über Afrika<br />

ordnete Barth in eine übergreifende positivistische Erzählung des europäischen<br />

Fortschritts ein. Darin wurde nicht nur die <strong>Natur</strong> zum Träger menschlich nutzbaren<br />

Potenti<strong>als</strong>. 84 Auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten afrikanischer Märkte für<br />

europäische Waren 85 und die scheinbar bereits klar erkennbaren Erkenntnischancen<br />

für nachfolgende Reisende 86 fügten sich für Barth in dieses Schema ein.<br />

Sinnbildlich für das Wahrnehmungsmuster eines europäischwissenschaftlichen<br />

‚Überblicks‘ ist Barths ständig wiederkehrende Beschreibung<br />

von afrikanischen Hügeln und Bergkuppen, die ihm <strong>als</strong> Aussichtspunkte für die<br />

vermessende und ästhetische Beurteilung des Landes dienten. 87 Aber es ist nicht<br />

Mary Louise Pratt’s entkörperlichtes „European improving eye“ 88, das ungerührt<br />

vom Berg herabschaut und <strong>als</strong> besitzergreifendes, ‚weißes‘, männliches Subjekt die<br />

imperiale Ideologie des „anti-conquest“ 89 hervorbringt. Pratts Hinweis auf die<br />

diskursiven Strategien der ‚wissenschaftlichen‘ Durchdringung ist zwar äußerst<br />

wichtig, wenn man die historischen Zeugnisse europäischer Entdeckungsreisen<br />

untersucht. Dabei kann man aber die Spuren des individuellen Erlebens einer historischen<br />

‚Realität‘ nicht außer acht lassen, die sich in den publizierten Texten<br />

ebenso finden wie in den sprachlichen Verarbeitungen, die die Reisenden in ihren<br />

persönlichen Notizen vor Ort und in zusammenfassenden Aufzeichnungen vornahmen.<br />

So beschrieb Barth auch seine Erfahrung, dass die Messung von Winkeln,<br />

die ihm nach komplexen Berechnungsvorgängen erlaubten, die von ihm bereisten<br />

afrikanischen Landschaften in das globale Gitternetz der Längen- und Breitengrade<br />

einzuzeichnen, durch allzu heftigen Wind auf den Berggipfeln unmöglich gemacht<br />

wurde. 90<br />

84 Barth: Travels, Bd. 1, S. 291 und 417.<br />

85 Ebd., S. 517.<br />

86 Ebd., S. 396.<br />

87 Vgl. ebd., S. 70: „Sunday, February 17th [1850]. About an hour before sunrise, when the thermometer<br />

stood at 41o, I set out to ascend an eminence north from our tent, which afforded me an excellent<br />

site whence to take the bearings of several prominent cones.“<br />

88 Pratt, M. L.: Imperial eyes. Travel writing and transculturation, New York / Abingdon 22008, S. 60.<br />

89 Ebd., S. 9.<br />

90 Vgl. ebd., S. 62.<br />

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