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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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138<br />

Justin Stagl<br />

gelten. Zunächst bilden sie so genannte Schätze. Die Menschheitsepoche der<br />

Schatzbildung setzt aber eigentlich erst mit dem Übergang vom Wildbeutertum<br />

zum Bodenbau ein. Erst die Sesshaftigkeit ermöglicht das Anlegen größerer Vorräte<br />

aus utilitären und Schätze aus nichtutilitären Gütern, die dann in besonderen<br />

„Sammlungsräumen“ (Manfred Sommer) bewahrt werden. 27 Der Schatz ist aber<br />

noch keine differenzierend-ästhetische Sammlung im Vollsinne, denn hier sind die<br />

Objekte jedes für sich wertvoll, ihr innerer Zusammenhang aber gering. Schätze<br />

ändern daher auch leicht ihre Zusammensetzung. Sie zu bilden und gegen Begehrlichkeiten<br />

zu bewahren ist nur Mächtigen möglich. Außer durch Macht kann man<br />

sie etwa auch noch durch Verbergen oder durch Tabuisieren schützen, in welchem<br />

Falle man eher von Horten spricht. Die sinnreichste Form, hochgeschätzte Objekte<br />

zu bewahren, ist indes der Gabentausch. Dann zirkuliert ein Teil des Schatzes<br />

mit der Verpflichtung zur Gegengabe innerhalb der Gemeinschaft, während der<br />

beim Besitzer verbleibende Teil sich durch Ab- und Zugänge laufend verändert<br />

und beide gemeinsam auf das Beziehungsnetzwerk des Besitzers verweisen. Durch<br />

ihre unterschiedlichen Geschicke laden die Einzelstücke sich stets mit neuen Bedeutungen<br />

auf. 28<br />

Das Sammeln hat von Anbeginn auch eine geistige Dimension: mit den Dingen<br />

sammelt man auch Erfahrung. Indem er sich aus der Welt materielle Dinge<br />

aneignet, erwirbt der Sammler mit der aufgewendeten Arbeit und den eingegangenen<br />

Risiken auch Wissen und Verhaltenssicherheit, kommt zu sich selbst und festigt<br />

seine Identität. So wird der Begriff Sammeln auch soziologisch und psychologisch<br />

verwendet: Sich sammeln und dann wieder zerstreuen können auch soziale<br />

Gruppen und kann auch der Einzelne in seinem Inneren. Die Bedeutung der anderen<br />

für die Sammeltätigkeit wurde schon erwähnt. Man kann den materiellen wie<br />

den geistigen Ertrag seines Sammelns anderen vorenthalten oder mitteilen. Nicht<br />

bloß über die Objekte selbst, auch über die mit ihnen verbundenen Erzählungen,<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten erwirbt man Wissen über die Welt und sich selbst. So<br />

ließe sich sagen, dass im Grunde gar nicht der einzelne Sammler, sondern seine<br />

Gemeinschaft das Subjekt der Sammeltätigkeit ist. Oft tritt an die Stelle der Sammlerpersönlichkeit<br />

die „kollektive Geschichte, eine gemeinsame Tradition“ (Adrian<br />

Stähli), <strong>als</strong> deren Exponent der Einzelne fungiert. 29 Umfassender und systematischer<br />

<strong>als</strong> dies bei Wildbeutern und Bodenbauern möglich ist, wird das Sammeln in<br />

urbanen Gesellschaften betrieben, insbesondere dank der Möglichkeit der Speicherung<br />

von Bedeutungen in der Schrift. 30<br />

27 Sommer: Sammeln, S. 138-162.<br />

28 Vgl. etwa Reinhard, W. / Stagl, J. (Hg.): Menschen und Märkte. Studien zur Historischen Wirtschaftsanthropologie,<br />

Wien / Köln / Weimar 2007.<br />

29 Stähli, A.: Sammlungen ohne Sammler. Sammlungen <strong>als</strong> Archive des kulturellen Gedächtnisses im antiken Rom,<br />

in: Assmann et al.: Sammler-Bibliophile, S. 55-86, hier S. 57.<br />

30 Sommer: Sammeln, S. 343-355.

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