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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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142<br />

Justin Stagl<br />

Popplow), in dem sich der Vorsprung einer Region höchstens ein, zwei Generationen<br />

lang halten konnte. 43<br />

Die moderne Wissenschaftsgeschichtsschreibung ist so erfüllt von der Maßgeblichkeit<br />

der Experimentalwissenschaft, dass sie die Leistungen eines sich mit<br />

dem Vorhandenen begnügenden Empirismus auszublenden neigt. Die Haltung des<br />

sammelnden Empirismus war in der Frühen Neuzeit weit verbreitet, sei es <strong>als</strong><br />

„müßige“ Neugier, <strong>als</strong> Wetteifer, Nachahmung und Spionage oder <strong>als</strong> Streben nach<br />

der Erkundung der Welt. Die humanistische Gelehrtenrepublik hat diese Haltung<br />

zum Forschungsprinzip erhoben und methodisch verfeinert. Ihrer rhetorischen<br />

Orientierung gemäß ging es ihr dabei weniger um das Wissen <strong>als</strong> solches <strong>als</strong> um<br />

den Nutzen des Wissens für die Verbesserung des Lebens auf Erden. Nunmehr<br />

wurde das menschliche Wissen <strong>als</strong> etwas angesehen, das man systematisch ordnen,<br />

erweitern und verbessern konnte und aus diesem Grunde auch sollte. 44 Unter der<br />

erwähnten Voraussetzung, dass der menschliche Geist, die Sprache und die Welt<br />

denselben Prinzipien gehorchen, ließ der sammelnde Empirismus sich <strong>als</strong> ein Exzerpieren<br />

aus dem „Buche der Welt“ ansehen, dass es dem Menschen erlaubte, die<br />

große Welt im Kleinen, <strong>als</strong> „Mikrokosmos“ 45 zu rekonstruieren und sie sich dergestalt<br />

anzueignen. Damit konnte der Mensch über die Schöpfung verfügen, ja an ihr<br />

demiurgisch weiterarbeiten. 46<br />

4 Forschungstechniken der res publica litteraria<br />

Die nunmehr folgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

Sie sind in Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550-1800 näher<br />

entwickelt und belegt. 47 Die Humanisten haben die hier aufgelisteten Forschungstechniken<br />

nicht selber geschaffen, vielmehr aus der Antike und teils auch von den<br />

Arabern übernommen. Doch sie haben sie weiterentwickelt und untereinander in<br />

Beziehung gesetzt. Mit ihrer Hilfe konnte die Gelehrtenrepublik die Welt erschließen,<br />

bis sich in der „Sattelzeit“ um 1800 ihre Grenzen zeigten und das Gesetz des<br />

abnehmenden Ertrages sich fühlbar machte. Daraufhin formierten sich die Wissenschaftsdisziplinen<br />

neu, diesmal unter dem Primat der Experimentalwissenschaften.<br />

48 Zu den vor-experimentellen Forschungstechniken zählen:<br />

43 Popplow, M.: Europa wider Willen? Konkurrenz um technische Innovationen <strong>als</strong> integratives Element des frühneuzeitlichen<br />

Europa, in: Oster, A. (Hg.): Europe en mouvement. Mobilisierung von Europa-Konzepten<br />

im Spiegel der Technik, Berlin 2008, S. 19-29, hier S. 29.<br />

44 Näher ausgeführt in Stagl: Geschichte, S. 71-74 und 123-132.<br />

45 Vgl. dazu Grote: Macrocosmos; Minges: Sammlungswesen, S. 59-76.<br />

46 Vgl. dazu Stagl: Geschichte, S. 140-152 und 167-175.<br />

47 Vgl. Anm. 3.<br />

48 Vgl. etwa Koselleck, R.: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt<br />

a. M. 71992; vgl. auch Lepenies, W.: Das Ende der <strong>Natur</strong>geschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten

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