Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Martin Knoll<br />
Sinnbildungsprozesse“ <strong>als</strong> auch „auf jene zentralen Komponenten der Beziehung<br />
von Medien zur ‚Wirklichkeit‘, die auch in anderen zeitgenössischen Diskursen an<br />
Wichtigkeit gewonnen haben: Raum, Repräsentation Wahrnehmung.“ 19 Raum<br />
erweise sich dabei jenseits gegenständlicher Referenzialität <strong>als</strong> dynamisches „Geflecht<br />
semantischer Elemente“, Repräsentation werde nicht nur <strong>als</strong> einfache Form<br />
der Darstellung, sondern auch <strong>als</strong> eine „Praxis der Stellvertretung“ evident, die sich<br />
durch die interessengeleitete Anwendung mimetischer und nicht-mimetischer<br />
Praktiken konstituiere. Wahrnehmung meine nicht „einfach Beziehung des Lesers<br />
oder Betrachters zum Objekt der Lektüre oder Betrachtung, sondern ein komplexes<br />
Bündel kognitiver und mentaler Bedingungen, unter denen ein Begreifen<br />
der Repräsentation von Raum überhaupt möglich ist.“ 20<br />
Es sind solcherart zugeschnittene kulturwissenschaftliche Impulse, die auch<br />
nutzbar gemacht werden können, um eine wahrnehmungsgeschichtlich interessierte<br />
Umweltgeschichte voranzutreiben. Bezüglich des Quellentypus der historischtopografischen<br />
Landesbeschreibung liegen die möglichen Anknüpfungspunkte auf<br />
der Hand. Und damit komme ich zum zweiten Argument für die besondere Eignung<br />
dieser Quellengattung für eine wahrnehmungsgeschichtliche Analyse von<br />
Abgrenzung und Integration im Verhältnis zwischen menschlichen Siedlungen und<br />
naturaler Umwelt:<br />
2) Landesbeschreibung basiert auf einem empirischen Schema, das bereits in<br />
der Antike entwickelt und von den humanistischen Cosmografen bzw. Chorografen<br />
und den Autoren reisetheoretischer Literatur aufgenommen und weiterentwickelt<br />
wurde. Und so gleicht der 15 Punkte umfassende Fragebogen, den unsere<br />
oben genannte bayerische Äbtissin zu beantworten hatte, 21 dem Raster von 117<br />
Fragen, das Hugo Blotius im 16. Jahrhundert Reisenden mit auf den Weg gegeben<br />
hatte, um Städte umfassend beschreiben zu können: Ortsnamen und deren Etymologie,<br />
Verwaltung und territoriale Grenzen, Geschichte, vor allem auch Herrschaftsgeschichte,<br />
Architektur, Wirtschaft, Bevölkerung und Ethnografisches, aber<br />
eben auch geografische und hydrografische Lage, Landwirtschaft, Bodenfruchtbarkeit,<br />
Bodenschätze, Klima und ähnliches. 22<br />
Im Zentrum des darstellerischen Interesses der Landesbeschreibungen standen<br />
menschliche Siedlungen: Städte, Dörfer, Schlösser und Klöster. Doch wurden<br />
diese nicht isoliert dargestellt. Zu fragen ist nach der Konzeption des Verhältnisses<br />
zwischen menschlicher Siedlung und naturaler Welt und damit nach Grenzziehungen,<br />
Grenzüberschreitungen und Wertigkeiten. Und wenn von einem relativ stabi-<br />
19 Ebd., S. 19.<br />
20 Ebd., S. 19-20.<br />
21 Vgl. Schuster: Wening, S. 153–155; Knoll, M.: Ländliche Welt und zentraler Blick. Die Umwelt- und<br />
Selbstwahrnehmung kurbayerischer Hofmarksherren in Michael Wenings ‚Historico Topographica Descriptio‘, in:<br />
Düselder, H. / Weckenbrock, O. / Westphal, S. (Hg.): Adel und Umwelt. Horizonte adeliger Existenz<br />
in der Frühen Neuzeit, Köln 2008, S. 51–77, hier: S. 62–63.<br />
22 Stagl: Neugier, S. 160.