Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Marcus Stippak<br />
körperlicher Reinlichkeit zu erlauben, verknüpft mit der Überzeugung, mittels<br />
gezielter, d. h. auch in ihren Kosten kalkulierbarer Maßnahmen in einem überschaubaren<br />
zeitlichen Rahmen sicht- und riechbare Verbesserungen herbeiführen<br />
zu können. 24 Motivierend hinzu gesellte sich aber die auch von Pettenkofer genährte<br />
Hoffnung, die einmal getätigten Investitionen würden sich amortisieren, da<br />
die Aussicht bestünde, zukünftig weniger Geld für die Behandlung von Erkrankten<br />
und den Bau von Hospitälern aufbringen zu müssen. 25 Schließlich nahm der<br />
„Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege“, in dem Verwaltungsbeamte,<br />
Mediziner, Ökonomen, Sozialreformer, Stadtplaner, Architekten, Baumeister, Ingenieure<br />
und Techniker sowie Angehörige des städtischen Wirtschaftsbürgertums<br />
aktiv waren 26, die kommunalen Verwaltungen symbolträchtig in die Pflicht, indem<br />
er auf seiner ersten Vereinsversammlung 1873 die Ansicht formulierte, dass „wesentliche<br />
Fortschritte nur auf dem Weg der Selbstverwaltung zu erwarten“ seien. 27<br />
Über die in den zum Handeln aufgerufenen Städten bis in die zweite Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts anzutreffenden Versorgungseinrichtungen urteilt Christine<br />
Backhaus scharf, bei ihnen habe es sich um ein von „Improvisationen und Notlösungen“<br />
gekennzeichnetes „Flickwerk“ gehandelt. 28 Fakt ist, dass man sich vielerorts<br />
noch lange nach 1850 damit behalf, den Bedarf an Trink- und Brauchwasser<br />
über private und öffentliche Brunnen, Quellwasserleitungen, umgeleitete oder mit<br />
Hilfe von Wasserrädern „angezapfte“ Oberflächengewässer sowie über Zisternen<br />
zu befriedigen, in denen man Niederschlagswasser sammelte. Diese Strukturen,<br />
deren Vorhandensein mit der geographischen Lage einer Gemeinde variierte, existierten<br />
bereits seit mehreren Jahrhunderten. Im Zusammenhang mit den oben<br />
angesprochenen demographischen, ökonomischen und städtebaulichen Veränderungen<br />
taten sich jedoch einige Probleme auf: Eine wachsende Einwohnerschaft<br />
bedurfte einer größeren Wassermenge für den alltäglichen Gebrauch. Dasselbe galt<br />
– alles in allem – für ansässige Betriebe. Angesichts der in den Städten häufig zunehmenden<br />
Bebauungsdichte ging derweil die Ergiebigkeit der das Grundwasser<br />
erschließenden Brunnen zurück. Zugleich blieb der Anschluss an eine Quellwasserleitung<br />
oder an ein von einem Flusswasserrad gespeisten Verteilungsnetz ein Privi-<br />
24 Rodenstein, M.: „Mehr Licht, mehr Luft“ – Gesundheitskonzepte im Städtebau seit 1750, Frankfurt<br />
a. M. / New York 1988, S. 70, 96 f.; dieselbe: Stadt und Hygiene seit dem 18. Jahrhundert, in: Machule,<br />
D. / Mischer, O. / Sywottek, A. (Hg.): Macht Stadt krank? Vom Umgang mit Gesundheit und<br />
Krankheit, Hamburg 1996, S. 19-31, hier S. 23 f.; Hauser, S.: „Reinlichkeit, Ordnung und Schönheit“ – Zur<br />
Diskussion über Kanalisation im 19. Jahrhundert, in: Die Alte Stadt, 1992, S. 292-312, hier S. 292-294.<br />
25 Evans: Tod, S. 164, 312-314; Pettenkofer, M. von: Vorträge über Canalisation und Abfuhr, München<br />
1876, S. 13-22.<br />
26 Münch: Stadthygiene, S. 30; Witzler, B.: Großstadt und Hygiene. Kommunale Gesundheitspolitik in der<br />
Epoche der Urbanisierung, Stuttgart 1995, S. 10 f..<br />
27 Bericht über die erste Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Frankfurt am Main<br />
am 15. und 16. September 1873, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege,<br />
1873, S. 617-668, hier S. 634.<br />
28 Backhaus, C.: Von der Wasserkunst zur Wasserwirtschaft. Streifzüge durch Gegenwart, Geschichte und Zukunft<br />
des Bremer (Trink-)Wassers, Bremen 1998, S. 58.