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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Anke Fischer-Kattner<br />

the utmost, and enjoyed our pleasant encampment, which was surrounded by masses of granite<br />

blocks, wide-spreading bushes of the abísga, and large, luxuriant talha-trees, in wild and most picturesque<br />

confusion.“ 73<br />

Die Ästhetik der <strong>Natur</strong> entfaltet ihre emotionale Wirkung auf den Reisenden<br />

<strong>als</strong> Ergebnis von dessen Vorlieben für bestimmte klimatische Verhältnisse und<br />

Landschaftsformationen. Der (europäische) Mensch ist in Barths Sinnsystem den<br />

Gewalten der <strong>Natur</strong> aber nicht mehr so sehr ausgeliefert, dass seine Situation nur<br />

poetisch beschreibbar wäre. Mit ihren eigenen kulturellen Mitteln können sich die<br />

Europäer die Effekte der <strong>Natur</strong> sogar selbst erschaffen, beispielsweise indem die<br />

klassische Säulenordnung die ‚<strong>Natur</strong>‘ von Palmen imitiert. 74 Damit wird das ‚Natürliche‘<br />

letztlich zum logisch Erfassbaren für den rationalen Menschen. So kann<br />

Barth den ‚ernsten Charakter‘, den er den Einwohnern von Gasáwa zuschreibt, <strong>als</strong><br />

„a natural consequence of the precarious position in which they are placed“ 75 interpretieren.<br />

Die Natürlichkeit gibt dem rational denkenden und mit überlegenem<br />

(europäischem? 76) Wissen ausgestatteten Beobachter die Möglichkeit, in der Umwelt<br />

potentielle Kontrollierbarkeit wahrzunehmen. Trotz solcher Sicherheit in der<br />

Sinnstiftung bleiben aber die ‚Einbrüche‘ der <strong>Natur</strong> in die Reiseerfahrung ‚Grenzsituationen‘<br />

menschlichen Erlebens.<br />

Auf das ‚Vorankommen‘ Barths und seiner Reisebegleiter wirkten die bekannten<br />

Schwierigkeiten der Nordroute nach Westafrika ebenso begrenzend wie auf<br />

ihre Vorgänger: Barth beschreibt Wassermangel, große Temperaturschwankungen<br />

und die Sandstürme der Sahara zunächst nur wie kleinere Unannehmlichkeiten,<br />

doch die individuelle Lebensgefahr tritt in der Chronologie der Reise zunehmend<br />

hervor. Als eigene <strong>Grenzerfahrung</strong> beschreibt Barth seinen Versuch, getrennt von<br />

seinen Begleitern in der Karawane und ohne Führer einen besonders geformten<br />

Berg zu besteigen. Nach einer kräftezehrenden Kletterei, auf der er nicht einmal<br />

den Gipfel erreicht und seine spärlichen Wasser- und Nahrungsreserven aufbraucht,<br />

versucht Barth, seine Begleiter wieder zu treffen. Aber diese finden sich<br />

nicht an der erwarteten Stelle ein. Immer wieder versucht Barth mit neuen, vernünftigen<br />

Plänen seine Rettung zu sichern, doch die feindliche <strong>Natur</strong> droht am<br />

Ende jedes Absatzes seinem Verstand und seinem körperlichen Überleben eine<br />

existentielle Grenze zu setzen: Trotz Schwäche und Fieber rafft sich Barth immer<br />

wieder zu Anstrengungen auf, seine ‚Kameraden‘ zu alarmieren. Die Idee, in der<br />

Nacht ein Feuer zu entzünden, erweist sich aber <strong>als</strong> undurchführbar, denn der<br />

Reisende ist zu schwach, genug Holz zu sammeln. Er fühlt sich „broken down and<br />

73 Barth: Travels, Bd. 1, S. 294.<br />

74 Ebd., S. 356.<br />

75 Ebd., S. 449. Vgl. auch: Barth: Travels, Bd. 2, S. 193.<br />

76 Es ist faszinierend, dass Barth zwar die ordnende Funktion europäischer Gelehrsamkeit und ihre<br />

Kontrolle über die letzte Entscheidung über Fakt und Fiktion betont, zugleich aber seine Abhängigkeit<br />

von gebildeten einheimischen Informanten explizit macht: Vgl. ebd., S. 167 f..

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