08.12.2012 Aufrufe

Natur als Grenzerfahrung - Oapen

Natur als Grenzerfahrung - Oapen

Natur als Grenzerfahrung - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

136<br />

Justin Stagl<br />

Lebens, für technologischen Fortschritt, Bildungsreform, Herbeiführung von Frieden,<br />

Gerechtigkeit und Wohlfahrt verbunden. Im Utopismus des 16. und 17. Jahrhunderts<br />

erweiterten sie sich zu Totalreformationsprogrammen für das menschliche<br />

Leben. 18<br />

2 Phänomenologie des Sammelns<br />

Sammeln 19 ist eine Form von Weltaneigung. Das Wort bedeutet das Zusammenbringen<br />

verstreuter Dinge an einem Ort. Diese Dinge sollen einander in irgendeiner<br />

Hinsicht ähnlich oder verwandt sein („sammeln“ ist einen Ursprungs mit lateinisch<br />

similis, englisch the same und deutsch „zusammen“). 20 Die Sammelobjekte<br />

werden vom Sammler ihren bisherigen Kontexten entnommen und in einen neuen<br />

Kontext, den der Sammlung, eingefügt.<br />

Ursprünglich sind diese Dinge <strong>als</strong>o unabhängig vom Sammler in der Welt vorhanden<br />

gewesen. Der Sammler aber bringt sie von der Peripherie seines Handlungsbereichs<br />

in dessen Zentrum, wo er besser über sie verfügen kann. Den Anstoß<br />

für das Sammeln gibt das Ausgeliefertsein des Menschen an die Welt. 21 Wenn<br />

er da wenigstens ein paar Dinge unter seiner Verfügungsgewalt hat, gibt ihm das<br />

einen gewissen Rückhalt. Dafür erfordert das Sammeln Bewegungen im Raum,<br />

einen Aufwand an Zeit sowie Arbeit und Risiken. Auch schaffen die gesammelten<br />

Dinge neue Probleme: Der Sammler muss sie jetzt gegen Verderb und fremden<br />

Zugriff schützen. Dazu braucht er Rückhalt in seiner Gemeinschaft: „Kein Sammler<br />

sammelt allein“ (Alois Hahn). 22<br />

Hat man eine Anzahl verwandter Dinge an einem Ort zusammengebracht,<br />

kann man sie betrachten, untersuchen, bearbeiten, benützen. Hierin setzt die sammelnde<br />

Weltaneignung sich fort. Was zunächst nur Ansammlung war, wird nunmehr<br />

zur Sammlung. Deren Hauptcharakteristikum ist ihre Ordnung. Schon das<br />

Zusammentragen der Objekte ist von einer Ordnungsvorstellung geleitet. Auffassungen<br />

von Ähnlichkeit und Verwandtschaft hängen mit der Auffassung von der<br />

Ordnung der Welt zusammen. An solchen Vorstellungen, die der Sammler mit<br />

18 Näher ausgeführt und belegt in Stagl: Geschichte, Kap. 3, S. 123-194.<br />

19 Vgl. auch Stagl, J.: Homo Collector: Zur Anthropologie und Soziologie des Sammelns, in: Assmann,<br />

A. / Gomille, M. / Rippl, G. (Hg.): Sammler-Bibliophile-Exzentriker, Tübingen 1998, S. 37-54.<br />

Parallel dazu sind zwei wichtige Arbeiten zu dem Thema erschienen: Minges, K.: Das Sammlungswesen<br />

der Frühen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung, Münster 1998 und Sommer, M.: Sammeln. Ein<br />

philosophischer Versuch, Frankfurt a. M. 1999 (eine umfassende Phänomenologie des Sammelns und,<br />

quasi im antiken Sinne, zitaten- und fußnotenlos).<br />

20 Grimm, J. / Grimm, W.: Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, München 1984, Sp. 1741-1743; Kluge, F.:<br />

Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin / New York 211975, S. 622 f..<br />

21 Hahn, A.: Soziologie des Sammlers, in: Hinske, N. / Müller, M. J. (Hg.): Sammeln – Kulturtat oder<br />

Marotte?, Trier 1984, S. 11-19.<br />

22 Ebd., S. 15.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!