Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Maike Schmidt<br />
Während der mehrstündigen Jagd konnte ein einzelner Flossenschlag des Wales<br />
eine oder mehrere Schaluppen beschädigen oder zum Kentern bringen. Friedrich<br />
Gottlob Köhler berichtet über seine erste Begegnung mit einem Wal: „Mit<br />
Schauder denke ich noch an den Augenblick, wo ich ihn [den Wal] zu Gesichte bekam. Er sah<br />
von weitem wie ein Strich schwarzes Land, oder wie ein kleiner Berg aus. […] Mein Herz klopfte,<br />
<strong>als</strong> wir fortruderten; ich fing an zu beten, und je näher wir dem Ungeheuer kamen, desto deutlicher<br />
hörten wir sein Blasen und meine Angst stieg. Als wir nun dem Walfische nahe waren und<br />
der Harpunier ihm den tödlichen Stich versetzte, fing das Thier an sich zu bewegen, stürzte sich<br />
auf den Kopf, schlug mit dem Schwanze so gewaltig auf das Wasser, daß die Schaluppe, worin ich<br />
war, einen heftigen Stoß bekam, und 20 bis 30 Schritte weggeschleudert wurde. Ich war im Herzen<br />
froh, daß der Fang uns entging, aber der Kapitain bedauerte den Verlust.“ 20<br />
Von einer ähnlichen Situation wird im Schiffsjournal von Arfst Ercken berichtet,<br />
der am 8. Mai 1782 einen Wal verlor und einen fangen konnte: „Om Acht Uhr<br />
schoß einer von uns Harponiers fast an ein fisch mit nahmen Laurentzs Sünken, welcher fisch die<br />
Schallup Entzweÿ schlug. […] Om zweÿ Uhr des Nachmittags schoß uns Speck schneiders math<br />
fast an ein fisch, welcher auch die rontgert und zweÿ Plancken Entzweÿ schlug, auch mit Schlagen<br />
an hielt biß er todt wahr, so daß ich gedachte, daß wir kein Schalup heil behalten wörde. Om 3<br />
und ein halb Uhr hetten wir ihn todt, flensten ihn gleich über.“ 21<br />
Auch Jens Jacob Eschels berichtet von der Gefahr, die durch das Schlagen der<br />
Schwanzflosse im Todeskampf ausging: „Wir kamen einige Tage nachdem bei Wallfischen,<br />
und eine seiner Schalupen schoß fest in einen großen Walfisch; dieser Fisch war ein böser<br />
Teufel; er schlug gleich wie er die Harpune empfing, die Schalupe entzwei; wir alle eilten mit den<br />
Schalupen herbei die Leute zu retten. Wir kamen mit allen Schalupen der beiden Schiffe, zwölf<br />
an der Zahl, herbei und umringten den Fisch, der fast beständig über dem Wasser blieb (das<br />
heißt mit dem halben Körper) und schossen drei Harpunen an ihn fest, konnten aber nicht gehörig<br />
an ihn kommen um ihn zu lensen oder todt zu stechen, denn er schlug mit dem Schwanz so unbändig,<br />
daß man sich ihm nicht nahen durfte. Wenn er einen Augenblick ausruhete und stille lag,<br />
bekam er wohl einige Lensenstiche, allein er war so wüthend, daß er noch zwei Schalupen entzwei<br />
schlug. Endlich wurde er matt, fing an Blut zu blasen und wir stachen den Fisch todt.“ 22<br />
Nicht immer konnten alle Besatzungsmitglieder gerettet werden, die während<br />
der Reise ins Meer fielen. Aufgrund der niedrigen Wassertemperaturen war die<br />
Gefahr groß, an Unterkühlung zu sterben, wenn die Seeleute nicht sofort aus dem<br />
Meer gerettet werden konnten. 23<br />
Schwamm der Wal unter ein Eisfeld oder tauchte sehr tief, mussten die Leinen<br />
gekappt werden, um zu verhindern, dass die Schaluppen unter das Eis oder unter<br />
Wasser gezogen wurden. Starb der Wal unter einer Eisscholle war ebenfalls Vorsicht<br />
geboten, wie Jens Jacob Eschels in seiner Lebensbeschreibung schildert: „Die-<br />
20 Köhler: Reise, S. 58f..<br />
21 Ercken: Jurnaal, 8.5.1782.<br />
22 Eschels: Lebensbeschreibung, S. 63 f..<br />
23 Vgl. Köhler: Reise, S. 83.