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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Wale, Eis und ‚Boreas Gewalt‘<br />

ser Fisch, wie er die Harpune erhielt, lief unter das Eisfeld, woran wir lagen und blieb darunter<br />

todt liegen. Mit der Schalupe konnten wir ihn nicht unterm Eisfeld herausziehen, <strong>als</strong>o wurde die<br />

Leine an Bord genommen, das Schiff vom Eisfelde losgemacht, und 2 Linien Länge von dem<br />

Eisfelde ausgelegt, da die Leine nun durch die Länge eine flache Richtung erhielt, kam der Fisch<br />

allmählig näher unterm Eise heraus; allein unsere Leine brach und der Fisch mit sammt der<br />

Leine wären verloren gewesen, wenn nicht zum Glück ein Schoß Eis zwischen dem Schiffe und<br />

dem Eisfelde getrieben hätte, so daß die Bucht der Leine darauf fiel, und wir das Ende derselben,<br />

welche nahe beim Schiff gebrochen, wieder anknüpfen konnten und so den Fisch daran, unterm<br />

Eis heraus holten.“ 24<br />

Bei der Verarbeitung der Wale traten darüber hinaus häufig Schnittverletzungen<br />

und andere Wunden auf, die nur mit den an Bord zur Verfügung stehenden<br />

Mitteln behandelt werden konnten, wie aus den Chirurgenprotokollen ersichtlich<br />

ist. 25 So berichtet der Schiffschirurg Christian Daniel Segger am 25. Juni 1789 von<br />

einem Unfall des Unterzimmermanns Schroen: „Unter-Zimer-Man Schroen bekam eine<br />

Wunde mit einem Speck-Meßer über den ersten und zweiten Phalanges des Daumens so das die<br />

Ossa selbst gelitten hatten. Wie derselbe zu mir kam, war eine starke verbluthung da, ich wischte<br />

die Wunde mit Acetum vini [Essig] rein vereinigte die Knochen so gut wie möglich wie auch die<br />

Wund-Lepfsens.“ 26 Insgesamt dauerte die Behandlung der Verletzung über vier Wochen<br />

an. Trotz der aus heutiger Sicht schlechten Bedingungen an Bord der Walfänger<br />

konnten die meisten Krankheiten und Verletzungen behandelt werden.<br />

Die Jagd auf die Wale wurde von den Grönlandfahrern nicht hinterfragt. Die<br />

<strong>Natur</strong> wird von ihnen <strong>als</strong> Quelle gesehen, die nur genutzt zu werden brauchte.<br />

Dies stimmt mit der physikotheologischen Literatur wie der Ichthyotheologie von<br />

Johann Gottfried Ohnefurcht Richter (gest. 1765) überein, die ebenfalls davon<br />

ausging, dass die <strong>Natur</strong> von Gott für den Nutzen der Menschheit geschaffen wurde:<br />

„Und so hat Gott den Menschen nicht umsonst die Herrschaft über die Fische gegeben, indem<br />

er ihnen zugleich Verstand, Klugheit und Vermögen ertheilet, diese schöne Geschöpfe im<br />

Wasser aufzusuchen, zu fangen und zu gebrauchen. Aber auch die werden es zu verantworten<br />

haben, die auf unerlaubte Art sich der Fische bemächtigen, die Wässer veröden, und den so gütigen<br />

Geber gleichsam zwingen, uns seinen Seegen zu entziehen.“ 27 Indem der Mensch <strong>als</strong>o die<br />

Möglichkeiten, die die <strong>Natur</strong> bietet, ausschöpft, wirkt er an der Vervollkommnung<br />

der Schöpfung mit. Gleichzeitig betont Richter, dass die Fischbestände nicht aus-<br />

24 Eschels: Lebensbeschreibung, S. 45 f..<br />

25 Siehe zur medizinischen Versorgung auf den Walfangschiffen Roeloffs, G.: Die medizinische Versorgung<br />

auf Walfangschiffen des Grönlandhandels unter Berücksichtigung der Chirurgenprotokolle. (Studien und<br />

Materialien 29), Bredstedt 1997.<br />

26 Zitiert nach Roeloffs: Versorgung, S. 131.<br />

27 Richter, J. G. O.: Ichthyotheologie, oder Vernunft- und Schriftmäßiger Versuch die Menschen aus Betrachtung der<br />

Fische zur Bewunderung, Ehrfurcht und Liebe ihres großen, liebreichen und allein weisen Schöpfers zu führen, Leipzig<br />

1754, S. 360. Obwohl die Wale noch <strong>als</strong> Fische bezeichnet werden, war im 18. Jahrhundert bereits<br />

der Unterschied zu anderen Fischarten bekannt: „Die Wallfische unterscheiden sich gar stark von<br />

anderen Fischarten; denn sie haben nichts, <strong>als</strong> die äußerliche Gestalt, das inwendige, ja fast die ganze<br />

Beschaffenheit kommt mit den Lanthieren überein.“ Richter, Ichthyotheologie, S. 537.<br />

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