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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Maike Schmidt<br />

ende Wirkung des Löffelkrauts wussten: „Unterdessen war der alte Bootsmann weggegangen,<br />

ohne uns was zu sagen; allein wir sahen ihn bald wieder kommen und zu unsrer großen<br />

Freude eine Schürze voll grönländischen Salat mitbringen.“ 34 Unter den gegebenen Umständen<br />

konnte auch der Verzehr von Heidelbeeren höher geschätzt werden <strong>als</strong> in<br />

der Heimat: „Doch haben mir diese nie so gut geschmeckt, wozu unstreitig das große Bedürfniß<br />

alles beytrug.“ 35 Kaum mit Vorräten ausgestattet entwickeln die Besatzungsmitglieder<br />

eine andere Beziehung zur <strong>Natur</strong> – nur, wenn sie mit dem Vorhandenen auskommen<br />

können, ist ihr Überleben gesichert.<br />

Die Kenntnisse der grönländischen <strong>Natur</strong> und Geographie waren jedoch gering,<br />

so dass auch die Freude zu verstehen ist, die die überlebenden Grönlandfahrer<br />

empfanden, <strong>als</strong> sie einen Grönländer sahen: „Wir ruderten, so stark es unsere Kräfte<br />

zuliessen, mit allem Vermögen frisch durch, bis Mittag, <strong>als</strong> wir etwas von ferne im Wasser erblickten:<br />

es dauerte aber nicht lange, da wir ihn für einen wilden Mann hielten, der in seinem<br />

Schuitjen saß. Himmel! – Himmel! was gab dieses Gesicht vor eine Freude und Frolocken. Man<br />

hörte nichts anders rufen, <strong>als</strong>: Gott dank ein Mensch! – ein Mensch! O Herr, nun werden<br />

wir zurecht kommen! O Himmel, hilf uns doch! Ach verlaß uns nun nicht, o Gott!“ 36<br />

Doch in die erste Freude mischte sich schnell Angst und Unsicherheit. Schließlich<br />

standen sie nun unzivilisierten „Wilden“ gegenüber: „Als wir nahe hinzu kamen,<br />

sahen wir eine Menge Männer und Frauen, alle in Thierfellen von Seehunden, mit den Haaren<br />

auswärts, gekleidet, zum Vorschein kommen. Diese Vorstellung, die uns hätte in Freude setzen<br />

sollen, daß wir durch Gottes Güte endlich bei Menschen wieder gekommen waren, erschrack uns<br />

so sehr, daß wir, anstatt nach ihnen hin zu gehen, die Flucht namen, aus Furcht, sie wurden uns<br />

mishandeln. Wir dachten dam<strong>als</strong> wenig daran, was wir nachher befanden, daß wir bei den blinden<br />

Heiden so viele Menschenliebe antreffen würden, <strong>als</strong> wir nachher genossen. Ach nein; das<br />

Vorurteil, und der Name, wilde Menschen, hatte uns verblendet.“ 37<br />

In diesem Zitat wird sichtbar, wie ein direkter Kulturkontakt die Vorstellungen<br />

von einer Kultur verändern kann. Die Grönländer handelten beim Anblick der<br />

schiffbrüchigen Grönlandfahrer nicht wie barbarische Wilde, sondern nahmen die<br />

Europäer bei sich auf und versorgten sie mit allem Notwendigen: Sie erhielten<br />

„gekochten Robbenspeck“, der „angenehm und erquicklich“ 38 schmeckte und konnten sich<br />

in den Häusern der Grönländer aufwärmen. In der Folge werden die Grönländer<br />

vor allem <strong>als</strong> <strong>Natur</strong>volk beschrieben, die ihr Haus – aus Fellen mit Fenstern aus<br />

Waldärmen –, ihre Kleidung – aus Robbenfellen – und ihre Nahrung – aus Wal-<br />

und Robbenspeck – aus dem gewinnen, was ihnen die <strong>Natur</strong> zur Verfügung stellt.<br />

Allerdings sind auch schon europäische Einflüsse zu erkennen, denn die Pfannen,<br />

die Kröger beobachtet, stammen von den Dänen und wurden mit Robbenfellen<br />

34 Anonym, Schreiben, Sp. 1155.<br />

35 Anonym, Schreiben, Sp. 1156.<br />

36 Kröger: Nachricht, S. 40 f..<br />

37 Ebd., S. 41 f..<br />

38 Ebd., S. 44.

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