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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Tiere sind keine Sachen<br />

die v. Amira nicht unerheblich bei seiner Arbeit über Thierstrafen und Thierprocesse<br />

beeinflusst haben. 79 Die Methode Grimms bestand jedoch darin, dass er in seinen<br />

Rechtsalterthümern neben Rechtsquellen auch Erzählungen, Sagen und Bräuche 80 aus<br />

allen Zeiten und Regionen der germanischen Stämme und der aus ihnen hervorgehenden<br />

Reiche über einen Zeitraum von fast 2000 Jahren verarbeitete und noch<br />

bestehende Lücken mit seiner Phantasie schloss – wie er in der Vorrede zu den<br />

Rechtsalterthümern ausdrücklich hervorhob. 81<br />

Vor diesem Hintergrund können Tierstrafen und Tierprozesse lohnenswerte<br />

Untersuchungsgegenstände der (Rechts-)Geschichte sein, zumal der Nachweis<br />

noch aussteht, ob Tierstrafen und -prozesse reale Bestandteile der mittelalterlichen<br />

und frühneuzeitlichen Rechtspraxis waren. Erst nach sorgfältiger Prüfung sämtlicher<br />

in der Sekundärliteratur angegebenen Quellen wird zu entscheiden sein, ob<br />

sich meine Thesen, dass Tierprozesse gegen Schädlinge nur eine besondere Ausprägung<br />

des frühneuzeitlichen Genres der fiktiven Prozesse darstellen und Strafverfahren<br />

gegen „mordende“ Tiere phantasievolle Schöpfungen des 19. Jahrhunderts<br />

waren, vollumfänglich bestätigen lassen.<br />

4 Nutztiere im System des mittelalterlichen<br />

Unrechtsausgleichs<br />

Ansätze für eine einheitliche Behandlung von Menschen und Tieren finden sich im<br />

mittelalterlichen Unrechtsausgleichssystem vor Ausbildung eines öffentlichen<br />

Strafrechts und der Rezeption des römischen Rechts und zwar sowohl beim Ausgleich<br />

von Schäden, die von Tieren angerichtet wurden, <strong>als</strong> auch beim Ausgleich<br />

von Verletzungen an Tieren.<br />

79 Vgl. nur v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 549; zudem nimmt Jacob Grimm von den in den Fußnoten<br />

angegebenen deutschen Autoren den ersten Rang ein. Auch Berkenhoff, Tierstrafe, greift an vielen<br />

Stellen auf Grimms Rechtsalterthümer und Weisthümer zurück.<br />

80 So verweist Grimm, Rechtsalterthümer, S. 594 <strong>als</strong> Beleg für die Bahrprobe zunächst auf das Nibelungenlied<br />

und fährt dann fort: „In einem altfranzös. fabliau bluten die wunden sogar, <strong>als</strong> eine herde<br />

schafe vorbei geht, unter welcher der widder war, der den getödteten gestoßen hatte.“<br />

81 Grimm, Rechtsalterthümer, Vorrede, S. VIII f.: „Schwerer wird es beinahe werden, die allzukühne<br />

verbindung und nebeneinanderstellung ferner zeiträume zu rechtfertigen. […] In der langen zeit von<br />

tausend und bald zweitausend jahren sind aber überall eine menge von fäden losgerißen, die sich<br />

nicht wieder anknüpfen laßen, ohne daß man darum die offenbaren spuren ihres ehmaligen zusammenhangs<br />

verkennen dürfte (*will man diese anknüpfung phantasie nennen, so habe ich nichts dawider<br />

[…]). Das auf solche weise innerlich verwandte kann, wie mich dünkt, unschädlich an einander<br />

gereiht werden […]. Fortgesetzte forschung mag entweder die verlornen zwischenglieder der kette<br />

auffinden oder die vermuthete verbindung widerlegen. […] Eine eigentliche rechtfertigung dieses<br />

verfahrens gewährt das buch allenthalben selbst, das sonst gar nicht hätte können geschrieben werden<br />

[…].“<br />

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