Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Natürliche Erfahrungsgrenzen<br />
des Begriffs 30 markiert die Vokabel ‚<strong>Natur</strong>‘ bei Park bestimmte Vorstellungen über<br />
den Menschen („human nature in all its varieties“ 31) und über die Welt, wie sie den<br />
philosophischen Debatten der Aufklärungszeit 32 entsprangen. Die ‚Natürlichkeit‘,<br />
die Park den Schwarzafrikanern zuschreibt, 33 entsprach positiven aufklärerischen<br />
Vorstellungen: „With the love of music is naturally connected a taste for poetry<br />
[…]“ 34. Andere Verhaltensweisen, von denen Park aber nur aus zweiter Hand erfuhr,<br />
passen nicht in dieses Bild der ‚<strong>Natur</strong>‘, so z. B. „unnatural and disgusting<br />
banquets of human flesh“ 35. Besonders ‚irrationaler Aberglaube‘ störte Park: „Such<br />
is the blindness of unassisted nature!“ 36 Der Topos des ‚edlen Wilden‘ 37 enthält im<br />
Zusammenhang mit der konkreten Reiseerfahrung bereits den Zweifel an der<br />
Vollkommenheit des ‚natürlichen‘ Glücks: War nicht vielmehr doch der kultivierende<br />
Eingriff des zivilisierten Menschen in die <strong>Natur</strong> notwendig? Zu Parks Zeit<br />
blieb dieser Zweifel jedoch im Hintergrund. Das große Projekt der ‚rationalen‘<br />
Erfassung der <strong>Natur</strong>, des Hinausschiebens der Grenzen menschlicher Erkenntnis,<br />
stand noch an vorderster Stelle.<br />
Damit wird klar, weshalb die afrikanische <strong>Natur</strong> nicht nur Grenzen setzte,<br />
wenngleich sie Park durch Hitze, Krankheit 38, Durst 39, aber auch, wie oben erwähnt,<br />
durch zu viel Wasser, immer wieder <strong>Grenzerfahrung</strong>en durchleben ließ. Als<br />
‚Mann der Aufklärung‘ und <strong>als</strong> Christ fand der Reisende in der <strong>Natur</strong> auch Inspiration.<br />
Dies beschreibt er am eindrücklichsten in einer Szene, die ebenfalls mit einer<br />
<strong>Grenzerfahrung</strong> beginnt: Räuber hatten ihm alles abgenommen bis auf das letzte,<br />
zerschlissene Hemd, seine Hose und – glücklicherweise – seinen Hut, in dem er<br />
seine Aufzeichnungen aufbewahrte. In dieser Situation sah sich Park, der von sei-<br />
nature“ sei, dass sie jeden Einfluss von Menschen auf die Entscheidungen der Gottheit ausschließe.<br />
Ebd., S. 273. Auch die für den Europäer ungewohnte, scheinbar geringe Aktivität sei eine Folge der<br />
„nature of the climate“. Ebd., S. 280.<br />
30 So beschreibt er die Reaktion eines seiner einheimischen Führer zum Niger: „when he was told,<br />
that I had come from a great distance, and through many dangers, to behold the Joliba river [=den<br />
Niger], naturally inquired, if there were no rivers in my own country, and whether one river was not<br />
like another.“ Ebd., S. 200. Park verteidigte auch die schwarzafrikanischen Diebe, die sich an seinem<br />
Eigentum vergriffen haben, denn ihr Handeln sei keinesfalls ein Zeichen für einen pervertierten oder<br />
ausgelöschten „natural sense of justice“, sondern nur ein Resultat einer überwältigenden Versuchung.<br />
Ebd., S. 262.<br />
31 Ebd., S. 360.<br />
32 Vgl. Moravia S.: Beobachtende Vernunft. La scienza dell'uomo nel Settecento, dt., München 1973. Berg, E.:<br />
Zwischen den Welten. Anthropologie der Aufklärung und das Werk Georg Forsters, Berlin 1982.<br />
33 In ihrem lebhaften Ausdruck von Emotionen sieht er „rude children of nature, free from restraint“.<br />
Park: Travels, S. 82.<br />
34 Ebd., S. 278.<br />
35 Ebd., S. 217.<br />
36 Ebd., S. 273.<br />
37 Vgl. Bitterli, U.: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der<br />
europäisch-überseeischen Begegnung, München 1973.<br />
38 Vgl. Park: Travels, S. 129.<br />
39 Vgl. ebd., S. 176 f..<br />
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