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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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14 Lars Kreye, Carsten Stühring, Tanja Zwingelberg<br />

<strong>Natur</strong> verraten. Es lässt sich insbesondere eine Instrumentalisierung von <strong>Natur</strong> <strong>als</strong><br />

Grenze zur Darstellung von Herrschaftsansprüchen nachweisen. 48<br />

Anke FISCHER-KATTNER beschäftigt sich in ihrem Beitrag Natürliche Erfahrungsgrenzen:<br />

Die Konfrontation mit der <strong>Natur</strong> in Reiseberichten aus dem westafrikanischen<br />

Binnenland, 1760-1860 mit <strong>Grenzerfahrung</strong>en europäischer Forschungsreisender<br />

zwischen Zivilisation und ‚Wildnis‘ in Afrika. Hier begegnet in den Berichten der<br />

Afrikareisenden Mungo Park, Dixon Denham und Heinrich Barth wieder das Ordnungsmodell<br />

der ars apodemica zur literarischen Verarbeitung von Erfahrungen mit<br />

<strong>Natur</strong> und sozialer Umwelt.<br />

Diese Reisenden verstanden sich aufgrund ihrer Vorbildung laut Fischer-<br />

Kattner <strong>als</strong> neue ‚philosophical travelers‘, die mit dem Ziel aufbrachen, die Wissenschaften<br />

ihrer Zeit mit verlässlichen Informationen zu versorgen. Dabei musste<br />

das neue Wissen über die ‚weißen Flecken‘ Afrikas in die bestehenden Sinnzusammenhänge<br />

und Deutungsmuster der Zeit eingeordnet werden. Deshalb steht<br />

die Analyse von <strong>Grenzerfahrung</strong>en in der sprachlichen Verarbeitung einer <strong>als</strong> ästhetisch<br />

und zugleich gefährlich wahrgenommenen <strong>Natur</strong> im Mittelpunkt. Dabei<br />

wird der Frage nach der Modifikation gesellschaftlicher Deutungsmuster der afrikanischen<br />

<strong>Natur</strong> aufgrund neuer Erfahrungen im Spannungsfeld von erlebendem<br />

Subjekt und gesellschaftlicher Ausdrucksform nachgegangen. 49<br />

In der Forschung wird davon ausgegangen, dass die afrikanische <strong>Natur</strong> <strong>als</strong> zugleich<br />

erhaben und gefährlich wahrgenommen wurde, wobei eine Hingabe an dieses<br />

Gefühl der Erhabenheit zu einem Verlust der Kontrolle und Stärke über den<br />

eigenen Körper in einer gefährlichen Umwelt führen konnte. Letztlich wurden die<br />

<strong>Grenzerfahrung</strong>en in dieser <strong>Natur</strong> zu einem Gegenbild dekadenten, schwächlichen,<br />

städtischen Lebens stilisiert. 50 So wurden die Forschungsreisen <strong>als</strong> Prüfungen<br />

der physischen und psychischen Widerstandskraft und <strong>als</strong> Akte der Selbstergründung<br />

begriffen. 51 Letztlich entsprach die äußere Erkundungsfahrt auch einer<br />

48 Zur Abgrenzung zwischen instrumenteller und ästhetischer Perspektive auf <strong>Natur</strong> <strong>als</strong> Grenze vgl.<br />

Ritter: Landschaft, S. 41-42, Fn. 37. Grundsätzlich ist auf der Ebene von Herrschaft „<strong>Natur</strong>“ stets<br />

auch nach den Kategorien von Geschlecht, Alter, Ethnizität und sozialer Schicht zu differenzieren,<br />

vgl. Gersdorf / Mayer: Ökologie, S. 19.<br />

49 Zur Problematik der Integration in Afrika gewonnener naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in<br />

bestehende Ordnungszusammenhänge während der Frühen Neuzeit vgl. Lepenies, W.: Das Ende der<br />

<strong>Natur</strong>geschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts,<br />

München / Wien 1976, S. 65-66.<br />

50 Fabian, J.: Out of our minds. Reason and madness in the exploration of Central Africa, Berkeley 2000,<br />

S. 94-95. Was für die Wahrnehmung der <strong>Natur</strong> durch europäische Forscher in Afrika galt, ist parallel<br />

dem sich entwickelnden bürgerlichen <strong>Natur</strong>verständnis in Europa zu sehen, vgl. oben Nipperdey.<br />

51 Lepenies führt etwa aus, dass das Verlangen nach Neuem nirgends deutlicher herauskommt <strong>als</strong> auf<br />

Reisen. So beschloss der <strong>Natur</strong>forscher Andanson, im Jahr 1749 in den Senegal zu gehen, „da dies<br />

die am schwierigsten zu erreichende, heißeste, ungesundeste und auch in jeder anderen Hinsicht<br />

gefährlichste und daher den <strong>Natur</strong>forschern unbekannteste aller europäischen Besitzungen sei.“<br />

Lepenies: Ende, S. 55.

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