Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Wale, Eis und ‚Boreas Gewalt‘<br />
Besatzung des Walfängers von Arfst Ercken gebeten, beim Flensen von acht Walen<br />
zu helfen, die von Grönländern in Küstennähe gefangen worden waren. Das<br />
schnelle Flensen der Wale war notwending, um einen Mengen- und Qualitätsverlust<br />
des Trans zu verhindern. Zur Begründung, weshalb die Grönländer die Wale<br />
nicht selber abflensten, heißt es im Journal: „[…] die Grönländers hetten keine Lost da<br />
zu“. 30 In den folgenden Tagen fingen Grönländer und Europäer gemeinsam weitere<br />
Wale, die gleichmäßig unter ihnen aufgeteilt wurden. Die Unterschiede zwischen<br />
den Kulturen werden hier nicht thematisiert.<br />
Anders stellt sich die Situation in der Lebensbeschreibung von Jens Jacob<br />
Eschels dar, der im Rückblick auf seine Begegnungen mit den Grönländern vor<br />
allem die Differenzen der beiden Kulturkreise betont: „Die Wilden (wie wir gesitteten<br />
Europäer sie nennen) die da wohnen, sind gute Menschen, sehr geschickt um Robben und Weißfische<br />
zu fangen in ihrem kleinen von Fellen gemachten oder überzogenem Schiffchen. Ein Mann<br />
kann nur darin sitzen.“ 31 Die Grönländer werden hier <strong>als</strong> „gute Wilde“ wahrgenommen,<br />
die einfach leben und den Europäern gegenüber harmlos sind. Da Eschels<br />
seinen Kindern auch die Lebensweisen der Grönländer schildern will, beschreibt er<br />
einige grönländische Gebräuche, die ihm besonders in Erinnerung geblieben sind<br />
und vor allem die Jagd betreffen: „Die Robben oder Seehunde schießt er [der Grönländer]<br />
mit einer, mit sich führenden kleinen Harpune woran ein Strick von Leder mit einem aufgeblasenen<br />
Robbenfell fest ist, das er von sich wirft, so bald er die Harpune in die Robbe oder den<br />
Fisch fest geschossen, und läßt die Robbe damit laufen. Sie kann das aufgeblasene Fell nicht<br />
unter Wasser ziehen, und so sieht der Grönländer an der Blase, wo die Robbe ist; wenn nun die<br />
Robbe von dem Ziehen an der Blase matt und müde ist, und um Athem zu holen über Wasser<br />
kommen muß, so rudert er hin, sticht sie mit einer kleinen Lense die er bei sich führt, todt, und<br />
schleppt und bugsirt die Robbe dann mit seinem Fahrzeuge ans Land.“ 32<br />
Die Grönländer waren in den 1770er Jahren schon so an den Handel mit den<br />
Europäern gewöhnt, dass Eschels ganz selbstverständlich darüber berichtet, dass<br />
die Grönländer einen Teil der Robbe verkauften und einen Teil zur Selbstversorgung<br />
behielten: „Das Speck verkäuft er [der Grönländer] an den Kaufmann, der vom<br />
Könige da eingesetzt ist, das Fleisch bratet er und verzehrt es mit seiner Familie. […] Ich habe es<br />
in ihren Winterwohnungen selbst gesehen, wie sie eine junge Robbe brateten; wie sie gahr war, sah<br />
sie grade so gut aus, <strong>als</strong> bei uns ein gebratenes Lamm und ich möchte mit gegessen haben, wenn<br />
ich nicht gewußt hätte, daß es eine Robbe sei, so herrlich sah sie aus.“ 33<br />
Während sich <strong>als</strong>o Eschels nicht auf die grönländischen Sitten und Gebräuche<br />
einlassen kann und/oder will, waren die Grönlandfahrer, die 1777 vor der Küste<br />
Grönlands Schiffbruch erlitten, auf die Hilfe der Grönländer angewiesen. Nur in<br />
wenigen Gruppen Überlebender gab es Besatzungsmitglieder, die um die wohltu-<br />
30 Ebd., 23.5.1782.<br />
31 Eschels: Lebensbeschreibung, S. 70.<br />
32 Ebd., S. 70.<br />
33 Ebd., S. 70 f..<br />
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