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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Marcus Stippak<br />

Neben die Eisenbahn traten nach und nach Industriebetriebe <strong>als</strong> Konsumenten<br />

hinzu, die im Zuge der seit Mitte der 1850er Jahre in Darmstadt – vergleichsweise<br />

maßvoll – einsetzenden Industrialisierung entweder neu entstanden waren oder<br />

erweitert wurden.<br />

An Klagen über das Ungenügen der hiesigen Versorgungsverhältnisse mangelte<br />

es nicht. Privatpersonen, Industrielle, Militärbehörden und Eisenbahnverwaltungen<br />

setzten nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch eine größere Öffentlichkeit<br />

auf verschiedenen Wegen über ihren Unmut in Kenntnis. Hierbei traten nicht<br />

nur lokale Akteure in Erscheinung. Auch das preußische Kriegsministerium, dem<br />

seit 1866 der Oberbefehl über das großherzoglich-hessische Militär oblag, forderte<br />

die Stadt zum Handeln auf. Wie das Militär suchten die örtlichen Eisenbahngesellschaften<br />

bei den hessischen Landständen Unterstützung für ihr Anliegen, Versorgungsanlagen<br />

errichten zu dürfen, an denen die Stadt nicht beteiligt werden sollte.<br />

In ihrer Verzweiflung ging eine Eisenbahngesellschaft dann sogar dazu über, Wasser<br />

aus Frankfurt am Main herbeischaffen zu lassen. Die in der Großherzoglichen<br />

Handelskammer organisierten Betriebe wiederum brachten ihre Sorgen und Nöte<br />

in mehreren Jahresberichten der Kammer zum Ausdruck. Das Gleiche geschah in<br />

Gestalt einer kaum zu überschauenden Menge an Zeitungsartikeln, Kommentaren<br />

und Leserbriefen, welche in den 1870er Jahren im „Darmstädter Tagblatt“, der<br />

wichtigsten lokalen Tageszeitung in Darmstadt, erschienen.<br />

Die Atmosphäre, welche in der Stadt vorherrschte, brachte ein Zeitungsartikel<br />

vom Oktober 1870 auf den Punkt. Darin hieß es, die Stadtverwaltung habe es<br />

nicht vermocht, Abhilfe zu schaffen, obwohl die Versorgungsproblematik schon<br />

seit mehreren Jahren eines der vordringlichsten Probleme darstelle. Ein im Vermessungswesen<br />

kundiger und in städtische Dienste übernommener Artillerieoffizier<br />

mahnte in seiner der Wasserversorgung gewidmeten Denkschrift, die Stadt,<br />

deren Bevölkerung sich zwischen 1816 und 1871 mehr <strong>als</strong> verdoppelt hatte, müsse<br />

eine Antwort auf diese „Lebensfrage“ finden, wolle sie Schlimmeres verhüten.<br />

Aufgeschreckt durch die Warnung des Militärs initiierte die Stadtverwaltung<br />

zahlreiche Maßnahmen, mit denen neue Wasservorkommen ausfindig gemacht<br />

und erschlossen werden sollten. Dies gestaltete sich von Anfang an schwierig,<br />

schwebte doch über der Suche das Diktum des begutachtenden Militärs, eine stärkere<br />

Inanspruchnahme der Quellwasserleitungen reiche nicht, um den Bedarf an<br />

Trink- und Brauchwasser zu decken. Angesichts der fortschreitenden Bodenversiegelung<br />

sinke zudem der Grundwasserspiegel in der Stadt zusehends. Demnach<br />

reichten einerseits die Quellwasserleitungen nicht aus. Andererseits geriet der natürliche<br />

Grundwasserhaushalt in einen für die Versorgung der Stadt nachteiligen<br />

Zustand. Mit anderen Worten: Die Leistungsfähigkeit natürlicher Wasservorkommen<br />

war entweder zu gering oder hatte empfindlich nachgelassen. Vollends diskreditiert<br />

erschienen die bisherigen Wasserbezugsquellen nach der Bekanntgabe<br />

chemischer Untersuchungsergebnisse. Danach war ein enormer Teil des Brunnen-<br />

und Quellleitungswassers qualitativ <strong>als</strong> hygienisch bedenklich einzustufen.

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