Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Bergstürze kulturhistorisch betrachtet: Salzburg und Plurs im Vergleich<br />
aufgebaut sind und somit zu größeren Gesteinsabbrüchen neigen. Im Unterschied<br />
zum Monte Conto ist der Stein des Mönchsbergs jedoch vergleichsweise porös.<br />
Der Monte Conto wie der Mönchsberg waren Rohstofflieferanten der Stadtbewohner,<br />
die Steinbruchtätigkeit stellt daher einen verbindenden vorbereitenden<br />
anthropogenen Faktor der Bergstürze von Plurs und Salzburg dar: In Plurs wurde<br />
Lavezgestein abgebaut, in Salzburg konzentrierte man sich auf die Gewinnung von<br />
Bausteinen. 53 An beiden Bergen waren an mehreren Stellen Steinbrüche angelegt<br />
worden, dies hatte zur Folge, dass ihr Hangfuß abgebaut wurde und es zur Destabilisierung<br />
der darüber liegenden Felsschichten kam. Ein weiterer, allerdings naturbedingter,<br />
gemeinsamer Faktor des Monte Conto und des Mönchsbergs war die<br />
Bildung von Klüften, die die beiden Bergstürze begünstigte; <strong>als</strong> auslösende Faktoren<br />
können die starken Niederschläge, die beiden Bergstürzen vorangingen, bewertet<br />
werden: Der Spätsommer 1618 war in Plurs ähnlich regenreich wie der Sommer<br />
1669 in Salzburg 54.<br />
Der Kommissar von Graubünden, Fortunatus Sprecher hatte sich während des<br />
Unglücks im drei Kilometer entfernten Chiavenna aufgehalten. Als Regierungsvertreter<br />
war es seine Aufgabe, nach dem Unglück wieder für Recht und Ordnung in<br />
Plurs zu sorgen und die Regierung von Chur über seine Tätigkeit zu informieren.<br />
Einen Tag nach dem Unglück, am 26. August 1618, verfasste er den ersten Bericht<br />
an die Obrigkeit. Dieser dürfte die älteste Darstellung des Unglücks sein und anderen<br />
Schriftstücken <strong>als</strong> Vorlage gedient haben.<br />
Aus der Meldung geht hervor, dass es am 25. August 1618 gegen 20 Uhr zu<br />
einem Felssturz an jener Seite des Monte Conto gekommen war, an der Lavezgestein<br />
abgebaut worden war. Der Felssturz verschüttete etliche Weinberge des<br />
nahe gelegenen Dorfes Chilano. Am späten Abend brach der Berg schlussendlich<br />
in sich zusammen und begrub die Stadt Plurs wie auch das schon zuvor in Mitleidenschaft<br />
geratene Dorf Chilano. 55<br />
Eine alte Frau aus dem nahen St. Abundj berichtete, dass sie am Abend des<br />
25. Augusts ein Rauschen vernommen und Staub den Himmel bedeckt habe. Der<br />
Fluss Mera war durch den Bergsturz beinahe eineinhalb Stunden gestaut worden<br />
und hatte die EinwohnerInnen in Angst und Panik versetzt.<br />
53 Vgl. Presser, H.: Vom Berge verschlungen, in Büchern bewahrt. Plurs, ein Pompeji des 17. Jahrhunderts im<br />
Bergell, Bern 21963, S. 8; Zeller, R.: Wahrnehmung und Deutung von <strong>Natur</strong>katastrophen in den Medien des 16.<br />
und 17. Jahrhunderts, in: Pfister, C. (Hg.): Am Tag danach. Zur Bewältigung von <strong>Natur</strong>katastrophen in<br />
der Schweiz 1500-2000, Bern / Stuttgart / Wien 2002, S. 27-38, hier 31.<br />
54 Vgl. Scaramellini, G.: Piuro nella storia, in: Scaramellini, G. / Kahl, G. / Falappi, G. P.: La frana di<br />
Piuro del 1618. Storia e immagini di una rovina, Piuro 1988, S. 9-44, hier 29.<br />
55 Vgl. Bergsturzbericht des Fortunatus Sprecher von Bernegg, zitiert nach Kahl: Plurs, S. 249.<br />
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