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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Wale, Eis und ‚Boreas Gewalt‘<br />

springen oder erfroren in den kalten Nächten. In mehreren Gruppen mit wechselnden<br />

Zusammenstellungen erreichten die überlebenden Grönlandfahrer die<br />

Südwestküste Grönlands. Dort wurden sie dann von den „Wilden“ versorgt und in<br />

die Kolonien gebracht, von wo aus die Rückreise angetreten wurde (siehe Kapitel<br />

2.3).<br />

Nicht nur in den Reisebeschreibungen, sondern auch in der Literatur des<br />

18. Jahrhunderts wird der Kampf der Grönlandfahrer mit den <strong>Natur</strong>gewalten aufgegriffen.<br />

Beispielhaft dafür ist Barthold H(e)inrich Brockes’ (1680-1747) Gedicht<br />

Zufällige Gedancken über zwey nach Grönland abseegelnde Schiffe, in dem besonders der<br />

Gegensatz zwischen dem gemäßigten europäischen und dem rauen grönländischen<br />

Klima hervorgehoben wird. Während in der Heimat ein milder Sommer herrscht,<br />

befinden sich die Grönlandfahrer auf Walfang:<br />

„Um sich den ungestühmen Wellen<br />

Der unergründlich tiefen See,<br />

Des Winters Wuth, Reif, Hagel, Frost und Schnee<br />

Und Boreas Gewalt, in Grönland, bloß zu stellen.<br />

[…]<br />

Und, in entstand’nem Sturm, bey Rasen, Wüten, Sausen<br />

Der Winde, beym Gebrüll, Geknirsch, Geheul und Brausen<br />

Der Wellen, zwischen Meer- und Wasser-Wundern, schweben.“ 19<br />

Brockes führt hier genau die Gefahren der Grönlandfahrt an, die auch in der<br />

Reiseliteratur zu finden sind. Da Brockes in Hamburg lebte und Hamburg ein<br />

Heimathafen der Grönlandfahrt war, ist anzunehmen, dass er die Berichte einiger<br />

Grönlandfahrer kannte.<br />

2.2 Die Gefahren des Walfangs<br />

Neben den Wind- und Eisverhältnissen stellte auch die Jagd nach dem „Gold des<br />

Eismeers“ ein Risiko für die Grönlandfahrer dar, wie im Folgenden aufgezeigt<br />

werden soll. Die Wale wurden nicht von den großen Walfangschiffen aus gejagt,<br />

sondern von den kleinen Schaluppen, die sofort zu Wasser gelassen wurden, wenn<br />

das Blasen eines Wales beobachtet werden konnte. Die Grönlandfahrer versuchten<br />

dann, an den Walen festzumachen und diese schließlich durch Lanzenstiche zu<br />

töten. Die Besatzung einer Schaluppe bestand in der Regel aus sechs Seeleuten,<br />

von denen einer der Harpunier war. Der getötete Wal wurde dann zurück zum<br />

Walfänger gezogen und längsseits am Schiff befestigt, so dass er geflenst werden<br />

konnte, d. h., dass die Speckschicht abgetrennt wurde. Auch die Barten und Kieferknochen<br />

wurden herausgetrennt und im Schiff verstaut.<br />

19 Brockes, B. H.: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Mit einem Nachwort<br />

von Dietrich Bode. Faksimiledruck der Ausgabe von 1738 (Deutsche Neudrucke. Reihe Texte des 18. Jahrhunderts),<br />

Stuttgart 1965, S. 111 f..<br />

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