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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Konflikte um Wald und Holz in Nordwesteuropa während des 19. Jahrhunderts<br />

Bernd-Stefan Grewes Studie wirft die Frage nach den räumlichen Strukturen<br />

von Nachhaltigkeitskonzepten auf. Dieser Aspekt wird auch von Richard Groves<br />

Studie berührt, obgleich er ihn nicht ausdrücklich in den Mittelpunkt rückt: Die<br />

große Distanz zwischen den Entscheidungsträgern in London und Paris einerseits<br />

und den Kolonien andererseits zeigt sich <strong>als</strong> Faktor, der die Vermittlung von Umweltveränderungen<br />

erheblich erschwerte. 21 An dieser Stelle schiene es lohnenswert,<br />

eine Studie in diese Richtung zu vertiefen: Geprüft werden müsste dabei das Verhältnis<br />

zwischen Räumen und Regionen innerhalb Europas sowie die Frage, wie<br />

sich die räumlichen Reichweiten und Grenzen von Nachhaltigkeitskonzepten im<br />

Laufe des 19. Jahrhunderts veränderten.<br />

Zeitliche Dimension: Neben den inhaltlichen und räumlichen Dimensionen<br />

haben einige neuere Studien auch das Verhältnis zwischen Nachhaltigkeit und<br />

Fortschritt, <strong>als</strong>o im weiteren Sinne eine zeitliche Dimension, angesprochen: Folgt<br />

man dem allgemeinen Begriffsverständnis, zielt Nachhaltigkeit auf die Erhaltung<br />

der ökonomischen und / oder ökologischen Grundlagen des Lebens und Wirtschaftens,<br />

<strong>als</strong>o auf die Bewahrung bzw. gegebenenfalls die Wiederherstellung eines<br />

Zustandes, der das Leben kommender Generationen ermöglicht. Zugleich ist für<br />

die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts <strong>als</strong> wesentliches Charakteristikum<br />

gerade ein Fortschrittsbewusstsein herausgearbeitet worden. 22 War zuvor Geschichte<br />

<strong>als</strong> eine Kreisbewegung innerhalb gleichbleibender Strukturen verstanden<br />

worden, verschob sich diese Auffassung mit der Aufklärung: Geschichte erschien<br />

nun mehr und mehr <strong>als</strong> eine immerwährende fortschreitende Entwicklung. Die<br />

Veränderung des Bestehenden wurde zur Grundkategorie.<br />

Mit Blick in die Forschungsliteratur zum Fortschritt einerseits und zur Nachhaltigkeit<br />

andererseits ist auffällig, dass diese beiden Forschungsfelder bislang weitgehend<br />

unvermittelt nebeneinander stehen. Bisher klangen mögliche Reibungsflächen<br />

oder Spannungen zwischen diesen beiden Konzepten allenfalls am Rande an:<br />

Umweltgeschichte, so schreiben Ursula Lehmkuhl und Stefanie Schneider in der<br />

Einleitung zu einem Band aus dem Jahr 2002, habe neben dem Fortschritt die<br />

„umwelthistorischen Zeitkategorien von ‚Bewahrung‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ [...]<br />

entdeckt“; indem Nachhaltigkeit selbst zum Faktor von Bewusstseinsbildung werde,<br />

könne sie sich <strong>als</strong> neue umwelthistorische Zeitkategorie „potentiell zu einem<br />

politischen Steuerungsinstrument entwickeln“. 23<br />

Wenngleich die Ausführungen von Lehmkuhl und Schneider zu den wenigen<br />

gehören, die den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Fortschritt zumindest<br />

ansprechen, werfen sie zugleich mehrere Fragen auf: Nachhaltigkeit ist nicht allein<br />

21 Grove: Imperialism.<br />

22 Koselleck, R.: Fortschritt; in: Brunner, O. u. a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, Stuttgart<br />

1985, S. 351-423; Koselleck, R.: Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a. M. 2000.<br />

23 Lehmkuhl, U. / Schneider, S. (Hg.): Umweltgeschichte. Histoire totale oder Bindestrich-Geschichte? Erfurt<br />

2002, S. 8; vgl. auch Ford, C.: <strong>Natur</strong>e’s Fortunes: New Directions in the Writing of European Environmental<br />

History, in: The Journal of Modern History 79, 2007, S. 112-133, hier S. 123.<br />

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