Natur als Grenzerfahrung - Oapen
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Maike Schmidt<br />
grenze ebenfalls durch eigene Einträge markiert, so dass diese Eisgrenze <strong>als</strong><br />
physische Grenze zwischen zwei Räumen aufgefasst werden kann.<br />
Das Eis machte den Grönlandfahrern aber nicht nur im Meer zu schaffen;<br />
auch auf den Schiffen selber hatten die Besatzungsmitglieder mit ihm zu kämpfen:<br />
„Hetten 13 graden frost, weßhalber daß schif gantz mit Eis belegt wahr.“ 7 Das Eis musste<br />
dann von den Besatzungsmitgliedern von dem Schiff und allen Ausrüstungsgegenständen<br />
geklopft werden, um sie intakt zu halten und Unfälle zu vermeiden. Da<br />
die Überfahrt des Schiffes von Arfst Ercken nach Grönland aufgrund schlechter<br />
Winde länger <strong>als</strong> üblich dauerte, machten nicht nur die Temperatur- und Eisverhältnisse<br />
den Besatzungsmitgliedern zu schaffen, sondern auch die ausgehenden<br />
Wasservorräte: „Hetten heute unser roder doch ziemLich Loß vom Eise, daß wir Es meisten<br />
an bohrdt bekommen könte, den wir müsten alle wachten h<strong>als</strong>sen vor Eis. Sahen aber nur Eintzle<br />
Eis Bergen, welche auch baldt unmöglich wahr um beÿ Nacht zeiten so meÿden, welche durch<br />
Gottes Hölfe unser Glück ist om sie nicht an so treffen. Daß schif ist anjetzu kein schif mehr<br />
Gleiche, sonder ein Eis berg, den es ist von onten bis oben zum flügel knap mit Eis angefüllet,<br />
daß die bestendige ab arbeitong von der Manschaft weinig gegen das anmehren Erstatten solle.<br />
Anjetzo Lieget der halbe manschaft von schwachheit in der Koÿ. Haben uns Lestes wasser auf wo<br />
wir beÿ kommen könte.“ 8<br />
Nicht nur das Eis bedrohte den glücklichen Ausgang der Reise, auch Stürme<br />
und Unwetter konnten den Walfangschiffen so zusetzen, dass die Fahrt abgebrochen<br />
werden musste, die Schiffe weit von ihrem Kurs abgetrieben wurden oder<br />
sogar nicht mehr zu retten waren. Arfst Ercken berichtet beispielsweise in seinem<br />
Schiffsjournal vom Winterwalfang 1781/82, dass das Bramsegel am 11. Oktober<br />
1781 im Sturm riss: „Donker und regen wetter mit hart annehmende köhling und ein voriabel<br />
See aus Westen. Om 10 uhr riß unser Groß Bramseegel von unten bis oben Entzweÿ, daß es<br />
nicht so brauchen wahr. Ließ es gleich ab holen und daß Vorbramsegel fast machen und daß<br />
wetter fiel so hart ein daß wir alle reffen in uns marseegels nehmen müste.“ 9 Als die Grönlandfahrer<br />
unter ihrem Commandeur Arfst Ercken endlich die Nähe Grönlands erreicht<br />
hatten, wurde Schiffsrat gehalten, um über das weitere Vorgehen zu beraten,<br />
denn ihr ursprüngliches Ziel – die Disko-Bucht – lag noch weit entfernt. Im<br />
Schiffsjournal wird für diese Quellengattung sehr ausführlich über die Beweggründe<br />
und die Entscheidung der Offiziere berichtet, da dieser Eintrag ihr Verhalten<br />
vor dem Königlich Grönländischen Handel rechtfertigen sollte. Im Journal heißt<br />
es: „Ließ ich der Manschaft welche gesondt war alle auf Deck roffen und Weiter mit meine<br />
offieciers rath so halten, da ich vorher ihren willen und verlangen woll bekant war, Doch so fra-<br />
7 Ercken: Jurnaal, 28.11.1781. Die Temperatur wurde in Grad Réaumur angegeben, wobei -13°Ré<br />
umgerechnet -16,25°C entsprechen. Das war aber keinesfalls die kälteste gemessene Temperatur auf<br />
dieser Reise. Am 2. März 1782 trug Ercken eine Temperatur von -18° Ré in sein Schiffsjournal ein,<br />
was wiederum -22,5° C entspricht.<br />
8 Ebd., 5.12.1781. Aus den Einträgen der nächsten Tage wird deutlich, dass noch drei Fässer mit<br />
Wasser an Bord waren, die aufgrund des Wetters aber nicht erreicht werden konnten.<br />
9 Ebd., 11.10.1781.