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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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„Sauber, lustig, wohlerbaut“<br />

Aquarell der Stadt Innsbruck aus dem Jahre 1495 mit einer zeitgenössischen Beschreibung<br />

der Stadt im Reisetagebuch des italienischen Kanonikers Antonio de<br />

Beatis und kommt zu einer entschiedenen Relativierung von Dürers Realismus:<br />

„Und hier liegt ein Problem: Wie naturnah, ‚realistisch‘ oder wirklichkeitsgetreu<br />

waren eigentlich die Darstellungen des Meisters der ‚naturalistischen‘ Wiedergabe?<br />

Die fehlende Brücke, fehlende Mühlen und Fuhrwerke, Obst- und Gemüsegärten:<br />

Wir finden nichts von dem, was wir vor den Stadtmauern erwarten können. Selbst<br />

die Berge sind ein wenig niedlich geraten. Dürers Innsbruck ist keine reale Stadt,<br />

sondern eine Ide<strong>als</strong>tadt, in der Arbeit und Alltag keine Rolle spielen, der Idealtyp<br />

der Stadt am Fluss, aber nicht von dieser Welt. Der Meister verdichtete seinen<br />

Eindruck von der Tiroler Hauptstadt zu einer Art Ikonogramm.“ 45 Es nimmt wenig<br />

Wunder, dass es der Kunstgeschichte mitunter schwer fällt, Dürers Position<br />

zwischen einer <strong>als</strong> narrativ attribuierten italienischen Renaissancekunst und einer<br />

<strong>als</strong> deskriptiv klassifizierten, realistischen „Kunst des Nordens“ festzuzurren. 46<br />

Eine zeitlich mit der Entwicklung der <strong>Natur</strong>wissenschaften parallele Aufwertung<br />

des Visuellen, eine quasi fotorealistisch beschreibende Hinwendung des Künstlers<br />

zur physischen Realität ist der eine, die methodische wie personelle Nähe zwischen<br />

Geografie, Kartografie und Landschaftsmalerei der zweite Kern der Argumentation,<br />

mit der die Kunsthistorikerin Svetlana Alpers 1983 einen auch jenseits der<br />

Kunstgeschichte viel beachteten Beitrag zur holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts<br />

geleistet hat. 47 Die damit eingeleitete Diskussion besitzt auch für die Einordnung<br />

topografischer Literatur der Frühen Neuzeit Relevanz, weil bei Alpers<br />

genauso wie etwa in der jüngsten kritischen Auseinandersetzung Tanja Mich<strong>als</strong>kys<br />

mit ihren Thesen intermediale Zusammenhänge und Unterschiede zwischen textuellen,<br />

grafischen und kartografischen Darstellungsmodi physischer Welt gleichermaßen<br />

verhandelt und nach der jeweiligen Darstellungsabsicht kontextualisiert<br />

werden. 48 Es ist zu hoffen, dass von diesem Diskussionsstrang auch eine Kulturgeschichte<br />

der <strong>Natur</strong>wahrnehmung profitieren kann, die noch eine Fülle von Desideraten<br />

aufweist. 49 War es früh die Geografie, die dieser Kulturgeschichte der <strong>Natur</strong>wahrnehmung<br />

entscheidende Impulse verlieh – man denke an Clarence Glackens<br />

Ideengeschichte „Traces on the Rhodian shore“ 50 –, so wird auch der Zusammenhang<br />

zwischen der historischen Entwicklung der Landschaftswahrnehmung, dem<br />

45 Behringer, W.: Topographie und Topik. Das Bild der europäischen Stadt und ihrer Umwelt, in: Schott,<br />

D. / Toyka-Seid, M. (Hg.): Die europäische Stadt und ihre Umwelt, Darmstadt 2008, S. 123-144, hier:<br />

S. 126.<br />

46 Vgl. Alpers, S.: Kunst <strong>als</strong> Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln 1985, S. 32.<br />

47 Alpers: Kunst.<br />

48 Vgl. Mich<strong>als</strong>ky, T.: Medien der Beschreibung. Zum Verhältnis von Kartographie, Topographie und Landschaftsmalerei<br />

in der Frühen Neuzeit, in: Glauser, J. / Kiening, C. (Hg.): Text – Bild – Karte. Kartographien<br />

der Vormoderne, Freiburg 2007, S. 319–349.<br />

49 Vgl. stellvertretend Breuninger / Sieferle: <strong>Natur</strong>-Bilder.<br />

50 Glacken, C. J.: Traces on the Rhodian shore. <strong>Natur</strong>e and culture in western thought from ancient times to the end<br />

of the eighteenth century, Berkeley u. a. 1967.<br />

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