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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Sammelnde Wissenschaft<br />

doch nicht direkt zugänglich, denn sie befinden sich im Inneren anderer Menschen,<br />

die sie von sich aus dem Forscher nicht mitteilen, ja dies vielleicht gar nicht<br />

wollen oder können. Gerade solche Daten aber sollte der Reisende in Erfahrung<br />

bringen und niederschreiben, ohne dabei lästig zu fallen oder Verdacht zu erregen.<br />

Das im sozialen Leben auch sonst nicht unbekannte „Aushören“ wurde zur Forschungstechnik,<br />

indem ein systematisches Moment hineingebracht wurde. Man<br />

konnte etwa mehreren Befragten unabhängig voneinander dieselbe Frage vorlegen.<br />

Das machte ihre Antworten vergleichbar und lieferte dem Fragensteller Erkenntnisse,<br />

die der einzelne Befragte ihm nicht hätte geben können oder wollen. Diese<br />

wohl aus dem Zeugenverhör stammende Technik ließ sich auch auf den kritischen<br />

Vergleich von Dokumenten übertragen.<br />

Fünftens, Korrespondenz. Zur Reise trat <strong>als</strong> soziales Bindemittel der res publica litteraria<br />

der Brief. Reisende führten die schon erwähnten Einführungsschreiben oder auch<br />

„Stammbücher“ mit sich, worin unterwegs gewonnene Bekannte sich verewigten.<br />

Einem Schneeballsystem vergleichbar sollten daraus wieder weitere Bekanntschaften<br />

erwachsen und der Reiseverlauf war von den so gewonnenen Zutrittsmöglichkeiten<br />

mitbestimmt. In umgekehrter Richtung übermittelten die Reisenden Grüße,<br />

Neuigkeiten oder auch Sammelobjekte nach Hause. Nach der Rückkehr suchten<br />

sie mit den gewonnenen Bekannten in Korrespondenz zu bleiben; dazu mussten<br />

sie nun auch ihrerseits Durchreisende empfangen. Aus diesem Hin und Her ergaben<br />

sich Netzwerke von Fernkontakten, über die Briefe, Besuche und Objekte<br />

zirkulierten. Diese Netzwerke überschnitten einander und so entstand mit der Zeit<br />

ein paneuropäisches, ja weltumspannendes System von Gabentäuschen, das die<br />

Gelehrtenrepublik über die politisch-konfessionellen Grenzen hinweg zusammenhielt.<br />

Dass es sich dabei um Gaben handelte, machte zugleich die Begrenztheit des<br />

sammelnden Empirismus aus, der damit trotz redlichen Bemühens über den Kreis<br />

der Gebildeten nicht hinauskam.<br />

5 Fazit<br />

Sammeln <strong>als</strong> gesellschaftliches Tun erfordert Kommunikation. Diese orientierte<br />

sich unter humanistisch Gebildeten an der Rhetorik. Daher zog der frühneuzeitliche<br />

Empirismus noch keinen deutlichen Trennungsstrich zwischen der Bildungs-<br />

und der Forschungsreise. Die Gelehrtenrepublik verfügte demgemäß auch über<br />

Erfahrungswissen, das noch privat war und somit <strong>als</strong> Gabe vergeben werden konnte.<br />

Trotzdem konnte es im Bedarfsfalle mobilisiert werden – man musste die Wissensträger<br />

eben fragen. Mit dem Tode seiner Träger ging solches Wissen jedoch<br />

zugrunde. Auch Niedergeschriebenes blieb oft unpubliziert oder zumindest unbeachtet,<br />

wenn es in religiöser oder politischer Hinsicht heikel war. Sammlungen<br />

verkamen nach dem Tode des Sammlers oder wurden zerstreut.<br />

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