Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15330 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Monika Lazar<br />
sich per Verwaltungsakt regeln. Zu diesem Zweck wurde damit noch auf dem Boden des Grundgesetzes, oder (C)<br />
die sogenannte Extremismusklausel eingeführt.<br />
müsste er als Partner der Zivilgesellschaft ausfallen?<br />
In den letzten Monaten haben wir bereits zahlreiche Die Anträge der Oppositionsfraktionen fordern eine<br />
Debatten geführt: in den Ausschüssen, im Plenum und Umsteuerung bei der Bundesförderung von Projekten<br />
auch anderswo. Nicht nur betroffene Initiativen, sondern gegen Rechtsextremismus. Die Bundesregierung muss<br />
auch zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- endlich anerkennen, dass eine starke Zivilgesellschaft<br />
ler, Gewerkschaften, Kirchen, der Zentralrat der Mus- eine verlässliche Förderung braucht. Die Kürzung von<br />
lime, der Zentralrat der Juden und viele andere Stellen 2 Millionen Euro sind Fakt. Wir haben nichts dagegen,<br />
beteiligten sich daran. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat wenn in der Verwaltung etwas eingespart wird; aber<br />
sogar eine Chronik erstellt und darin die unterschiedli- dann kann man die 2 Millionen Euro an die Projekte gechen<br />
Proteste dokumentiert. Kritik äußerten auch einige ben,<br />
Bundesländer. Das Land Berlin brachte einen Antrag in<br />
den Bundesrat ein. Der federführende Ausschuss für<br />
Frauen und Jugend votierte für Zustimmung. Es kam allerdings<br />
keine Beschlussfassung zustande, weil der Ausschuss<br />
für Innere Angelegenheiten nicht zustimmte.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der SPD und der LINKEN – Patrick<br />
Döring [FDP]: Was ist denn mit der Schuldenbremse?)<br />
Zwei juristische Gutachten kamen zu dem Ergebnis,<br />
dass die Extremismusklausel nicht verfassungskonform<br />
zum Beispiel an die Opferberatung, die immer noch sehr<br />
stark unterfinanziert ist.<br />
ist. Alle Oppositionsfraktionen dieses Hauses stellten<br />
sich mit parlamentarischen Anträgen gegen diese Klausel.<br />
Ich finde es demokratiepolitisch wirklich fragwürdig,<br />
dass die Bundesregierung all diese Appelle und Reaktionen<br />
schlicht ignoriert, sich auf ihre Machtposition<br />
zurückzieht und das Problem aussitzt.<br />
Es geht aber auch um eine klare inhaltliche Ausrichtung;<br />
ich habe das mehrfach wiederholt. Der „Extremismus-Einheitsbrei“<br />
taugt nicht für eine zielgerichtete Förderpraxis.<br />
Wir fordern daher ein Programm, das sich<br />
gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener<br />
Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Anti-<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der SPD und der LINKEN)<br />
semitismus, aber auch Sexismus und Homophobie richtet.<br />
Es gebe ja kein Problem, die überwiegende Anzahl der<br />
Initiativen würde ja unterzeichnen, was Herr Kues vor-<br />
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Und Linksextremismus!)<br />
(B)<br />
hin wieder bestätigt hat. Natürlich tun das die meisten,<br />
da sonst ihre Projekte gestoppt würden oder sogar ihre<br />
Existenz auf dem Spiel stünde. Es gibt allerdings Träger,<br />
die wegen der Klausel gar keine Anträge mehr stellen<br />
und somit in der Statistik natürlich nicht auftauchen.<br />
Dazu gehören in meiner Heimatstadt Leipzig die beiden<br />
soziokulturellen Zentren „VILLA“ und „Conne Island“.<br />
Dabei gehört auch die sogenannte Mitte der Gesellschaft<br />
in den Fokus.<br />
Auch wenn Sie unsere Anträge heute wieder ablehnen<br />
werden: Wir werden an dieser Thematik dranbleiben.<br />
Vielleicht setzt bei Ihnen endlich einmal ein Erkenntnisgewinn<br />
ein.<br />
(D)<br />
Das Netzwerk für Demokratie und Courage etwa beklagt<br />
einen Verlust von circa 10 Prozent der Ehrenamtlichen,<br />
Vielen Dank.<br />
die als Teamerinnen und Teamer in Schulen Projekttage (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
angeboten haben. Dieser Rückzug geschieht nicht etwa und bei der SPD sowie der Abg. Petra Pau<br />
deswegen, weil sie nicht hinter den demokratischen Werten<br />
dieser Gesellschaft stehen, sondern weil sie sich,<br />
[DIE LINKE])<br />
durch diese Klausel verunsichert, enttäuscht zurückgezogen<br />
haben. Wer sich gegen Rechtsextremismus engagiert,<br />
stärkt unsere Demokratie; wir brauchen mehr und<br />
nicht weniger davon.<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Für die CDU/CSU hat jetzt die Kollegin Dorothee<br />
Bär das Wort.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
sowie der Abg. Petra Pau [DIE LINKE])<br />
Vor einer Woche führte selbst der Papst in seiner Rede<br />
im <strong>Bundestag</strong> aus, dass die offizielle Staatsmeinung, die<br />
sich gegen bestimmte Gruppen richtet, falsch sein kann.<br />
Als Beispiel nannte er die Widerstandskämpfer, die gegen<br />
das Naziregime handelten „und so dem Recht und<br />
der Menschheit als Ganzem einen Dienst erwiesen“ haben.<br />
Mit einem Zitat von Origines propagierte der Papst<br />
eine Haltung, die in Bezug auf zivilgesellschaftliche<br />
Dorothee Bär (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin<br />
Lazar, ich stelle fest, dass sich der Besuch von Papst<br />
Benedikt schon deshalb gelohnt hat, weil sich die Grünen<br />
jetzt in ihren Reden dauernd auf den Papst beziehen.<br />
Es ist sehr gut, dass auch in die anderen Fraktionen etwas<br />
Weisheit übergeschwappt ist.<br />
Bündnisse noch immer Aktualität besitzt: Es sei mitunter (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜsehr<br />
vernünftig, „auch entgegen der … bestehenden NEN]: Ich hoffe, zu Ihnen auch! – Sönke Rix<br />
Ordnung Vereinigungen“ zu bilden. Nun frage ich die [SPD]: Auf die Regierung kann man sich ja<br />
Kolleginnen und Kollegen der Koalition: Steht der Papst bei diesen Reden nicht beziehen!)