Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15276 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble<br />
– Ich bitte Sie! Wir haben hier gar kein Amnestiegesetz. schließlich darauf stützen. Deswegen ist dieses Argu- (C)<br />
Wir haben doch jetzt eine Anonymisierung der Einment wiederum falsch.<br />
künfte aus Kapitalvermögen, weil wir die definitive Abgeltungsteuer<br />
haben, die Sie eingeführt haben. Werfen<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Sie doch nicht die Dinge durcheinander! Es ist doch<br />
wirklich nicht angemessen, derart verleumderische Behauptungen<br />
gegenüber unserem Nachbarn aufzustellen.<br />
Herr Kollege Walter-Borjans, Sie haben offenbar in<br />
Ihrem Interview etwas verwechselt. Wir hebeln die Zinsbesteuerungsrichtlinie<br />
der EU nicht aus, ganz im Gegen-<br />
Für die Vergangenheit werden die Schweizer Banken<br />
ihren Kunden drei Optionen anbieten. Die erste Option<br />
ist, ihre Einkünfte einer regulären Besteuerung durch die<br />
zuständigen deutschen Steuerbehörden zuzuführen und<br />
dies gegenüber der Schweizer Bank zu bescheinigen.<br />
Die zweite Option besteht darin, dass sie einen Pauschalsatz<br />
anwenden, der innerhalb der Verjährungsfristen je<br />
nachdem, wie lange die Bestände bestehen, zwischen 19<br />
und 34 Prozent schwankt. Dieser ist höher als die Sätze,<br />
die bei der Amnestiegesetzgebung im Jahr 2003 angeboten<br />
worden sind. Damals waren es im ersten Jahr 25 Prozent<br />
und im zweiten Jahr 35 Prozent. Zudem war damals<br />
ein pauschaler Abschlag vom Kapital von 40 Prozent<br />
vorgesehen, während wir keinen Abschlag vorsehen. Zudem<br />
bezieht sich dieser Prozentsatz nicht auf die Einkünfte,<br />
sondern auf das Kapitalvermögen insgesamt.<br />
Deswegen gibt es viele Steuerberater, die sagen – die<br />
dritte Option –: Im Einzelfall wird es für Steuerpflichtige<br />
teil. Bei der seit 2003 geltenden Zinsbesteuerungsrichtlinie,<br />
die übrigens nur Zinsen und keine anderen<br />
Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst, haben wir erstens<br />
für Österreich und Luxemburg eine Ausnahme gemacht,<br />
weil diese Länder das im Hinblick auf eine andere<br />
Regelung mit der Schweiz nicht akzeptiert haben.<br />
Deshalb wird dabei nichts unterlaufen. Zweitens gehört<br />
die Schweiz, soweit ich weiß, nicht zur Europäischen<br />
Union, sondern sie ist der Europäischen Union assoziiert.<br />
Sie gehört der Europäischen Union aber nicht an.<br />
Drittens ist es so, dass die Finanzämter der Länder – ich<br />
werfe ihnen das gar nicht vor, aber man könnte das einmal<br />
öffentlich diskutieren – mit der Fülle der Informationen<br />
– das konnte man immer in den Zeitungen lesen –,<br />
die sie im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs<br />
nach der Zinssteuerrichtlinie bekommen, derzeit<br />
überhaupt nicht umgehen können, weil sie sie gar nicht<br />
verwerten können.<br />
besser sein, eine tatsächliche Besteuerung durchzufüh- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie das Abren,<br />
anstatt von der pauschalierenden Regelung Gekommen vorurteilsfrei prüfen und wenn Sie respektiebrauch<br />
zu machen. Es mag Fälle geben, bei denen das ren, dass die Schweiz eigene Gesetze hat, dass die<br />
anders ist. Das ist aber bei jeder pauschalierenden Rege- Schweiz ein so hoch entwickelter Rechtsstaat ist wie<br />
lung so.<br />
Deutschland, dann werden Sie feststellen, dass wir auf<br />
(B) Wenn man aber respektiert, dass in der Schweiz das<br />
Bankgeheimnis gilt, ist das doch die einzig denkbare Regelung,<br />
wie wir überhaupt deutsche Steueransprüche gegenüber<br />
Steuerpflichtigen durchsetzen können, die aus<br />
welchen Gründen auch immer ihr Vermögen in die<br />
Schweiz gebracht haben.<br />
In meiner Amtszeit als Bundesfinanzminister sind übrigens<br />
mehr Datensammlungen angekauft worden als in<br />
jeder früheren Legislaturperiode. Sie werden aber doch<br />
wohl nicht im Ernst sagen wollen, dass wir auf Dauer – –<br />
der Basis der Gleichberechtigung auch bei unterschiedlichen<br />
Auffassungen miteinander umgehen sollten. Sie<br />
werden bei bestem Willen nicht zu dem Ergebnis kommen,<br />
dass eine bessere Regelung für die Vergangenheit<br />
erreichbar war.<br />
Für die Zukunft haben wir eine völlige Gleichbehandlung<br />
der Steuerpflichtigen geschaffen, und zwar unabhängig<br />
davon, ob sie ihr Vermögen in der Schweiz oder<br />
in Deutschland angelegt haben. Deswegen können wir<br />
ein schwieriges Kapitel aus der Vergangenheit auf eine<br />
gute Art und Weise schließen.<br />
(D)<br />
(Joachim Poß [SPD]: Weil mehr angeboten<br />
wurde!)<br />
Deswegen mein Appell an alle Verantwortlichen in<br />
<strong>Bundestag</strong> und Bundesrat: Lassen Sie uns das Abkom-<br />
– Das ist doch gar kein Problem. Jedenfalls habe ich gegen<br />
viel Kritik diese Entscheidungen zusammen mit den<br />
obersten Finanzbehörden der Länder getroffen.<br />
men unvoreingenommen prüfen! Hören Sie endlich auf<br />
mit einer Polemik, die allenfalls unsere Beziehungen zur<br />
Schweiz und damit weit darüber hinaus unser Ansehen<br />
in Europa beschädigen kann!<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Unser Rechtsstaat kann sich aber nicht auf Dauer darauf<br />
beschränken, zu sagen: Wahrscheinlich werden wir<br />
die Steueransprüche nie durchsetzen können; es sei<br />
denn, wir finden Menschen, die gegen Gesetze verstoßen<br />
und im Zweifel viel Geld dafür kassieren, uns Informationen<br />
zu geben.<br />
Im Übrigen verfügt die Schweiz natürlich über Mittel,<br />
um gegen den Bruch ihrer Gesetze durch den Diebstahl<br />
von Datensammlungen vorzugehen. Das verstößt übrigens<br />
auch in Deutschland gegen entsprechende Datenschutzgesetze.<br />
Wir sollten also einmal klar aussprechen,<br />
wovon wir reden. Wir können doch nicht die Durchsetzung<br />
unserer Steueransprüche bis in die Ewigkeit aus-<br />
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />
Barbara Höll hat jetzt das Wort für die Fraktion Die<br />
Linke.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):<br />
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und<br />
Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn zunächst feststellen,<br />
dass wir als Abgeordnete wieder einmal vor vollendete<br />
Tatsachen gestellt wurden. Erst am Tag der Unter-