Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
15386 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Matthias W. Birkwald<br />
die Rehaleistungen erhielte, die sie oder er bräuchte, um Das heißt im Klartext doch nichts anderes, als dass (C)<br />
wieder fit für das Erwerbsleben zu sein. Reha muss sein! die Prüfergebnisse schon jetzt vollkommen egal sind.<br />
Aber eine gute Reha ist keine Garantie für einen Job. Das ist die gleiche Logik, die auch heute schon dem Re-<br />
Und deshalb will die Linke beides: eine bedarfsgerechte hadeckel zugrunde liegt. Statt am Bedarf wollen CDU<br />
Reha und den sofortigen Abschied von der Rente erst ab 67! und Liberale sich an der Beitragssatzstabilität orientieren.<br />
Statt den absurden Rehadeckel abzuschaffen, wollen<br />
Union und FDP ihn nur anders begründen. Die<br />
Linke will, dass Union und FDP ihre Trickserei endlich<br />
sein lassen – und zwar zum Wohle der Betroffenen!<br />
Die Linke fordert deshalb die Bundesregierung auf,<br />
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Deckelung der<br />
Rehaleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
umgehend aufhebt und die Leistungen zur Teilhabe am<br />
Bedarf der Betroffenen ausrichtet. Wir wollen, dass<br />
Schluss ist mit der politischen Willkür in der Reha!<br />
Immer mehr Menschen beantragen eine Rehamaßnahme.<br />
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der<br />
Rehaanträge um knapp 30 Prozent oder 476 000 auf<br />
über 2 Millionen, 2 082 108, gestiegen. Wir haben es<br />
also ganz deutlich mit einem steigenden Bedarf und<br />
damit auch mit steigenden Kosten zu tun. Das hat dazu<br />
geführt, dass das Rehabudget, also das für Rehamaßnahmen<br />
zur Verfügung stehende Geld, nahezu vollständig<br />
ausgegeben wird. Denn es ist leider nicht so, dass<br />
mit dem steigenden und wohlgemerkt rechtmäßigen Bedarf<br />
auch mehr Geld zur Verfügung gestellt würde – mitnichten.<br />
Denn die gesetzliche Rentenversicherung darf<br />
nur einen politisch willkürlich festgesetzten Betrag für<br />
Rehaleistungen ausgeben – § 220 SGB VI. Das ist der<br />
sogenannte Rehadeckel: Das verfügbare Rehabudget<br />
orientiert sich nicht am Bedarf, sondern an der Entwicklung<br />
der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer.<br />
Das ist doch absurd! Die Menschen werden doch nicht<br />
gesünder, wenn die Löhne sinken! Da ist doch wohl eher<br />
das Gegenteil der Fall! Dieser politisch motivierte Deckel<br />
dient allein der Leistungskürzung – und das ist nun<br />
wirklich falsch!<br />
Die Situation spitzt sich nun zunehmend zu: Der finanzielle<br />
Rahmen ist nahezu ausgeschöpft. Die Rentenversicherungsträger<br />
sind daher kaum noch in der Lage,<br />
in ausreichendem Umfang Leistungen zur medizinischen<br />
Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sicherung<br />
des Unterhaltes zu gewähren. Das Ziel, den<br />
vorzeitigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben zu verhindern<br />
oder möglichst dauerhaft eine Wiedereingliederung zu<br />
erreichen, kann nicht mehr im erforderlichen Umfang<br />
erreicht werden. Herbert Rische, der Präsident der<br />
Deutschen Rentenversicherung Bund, fordert deshalb<br />
unmissverständlich, dass das System überdacht werden<br />
müsse, „um sicherzustellen, dass die notwendigen Rehabilitationsleistungen<br />
auch wirklich erbracht werden<br />
können“. Recht hat er!<br />
Durch diesen Finanzierungsdeckel werden die Leistungen<br />
zur Teilhabe also nicht am tatsächlichen Bedarf<br />
der Betroffenen bemessen. Vielmehr unterliegen diese<br />
Maßnahmen einem politisch motivierten Spardiktat.<br />
Auch die schwarz-gelbe Bundesregierung hat das Problem<br />
zur Kenntnis genommen. Im jüngst veröffentlichten<br />
Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
kündigt die Bundesregierung<br />
an, sie wolle „die Notwendigkeit einer Anhebung des<br />
Reha-Deckels prüfen“. Doch im selben Atemzug formuliert<br />
Schwarz-Gelb unmissverständliche Bedingungen:<br />
Dabei hält die Bundesregierung allerdings an ihrer<br />
rentenpolitischen Grundentscheidung fest, dass<br />
Ausgabensteigerungen im System der Rentenversicherung<br />
nicht zulasten der Generationengerechtigkeit<br />
gehen oder zu einer Gefährdung der gesetzlichen<br />
Obergrenzen für den Beitragssatz führen<br />
dürfen.<br />
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Reha vor Rente – dieser Grundsatz ist sinnvoll. Gute<br />
Rehabilitation ist im Ernstfall die Voraussetzung für die<br />
Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie<br />
ist vor allem wichtig, wenn wir auf die Entwicklungen<br />
schauen, die wir am Arbeitsmarkt in Zukunft zu erwarten<br />
haben. Die demografische Entwicklung wird zu einer<br />
steigenden Zahl älterer Beschäftigter führen. Die Verlängerung<br />
des Erwerbslebens, die wir durch die Heraufsetzung<br />
des Renteneintrittsalters haben werden, trägt<br />
ebenfalls dazu bei. Der Bedarf an Rehabilitation wird<br />
sich erhöhen. Im Antrag der Linksfraktion wird das ja<br />
genau so formuliert.<br />
Die Haushaltsmittel der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
werden seit 1997 durch den § 220 im SGB VI, den<br />
sogenannten Rehadeckel, begrenzt. Die jährlichen Ausgaben<br />
werden demnach entsprechend der voraussichtlichen<br />
Entwicklung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je<br />
durchschnittlich beschäftigtem Arbeitnehmer festgesetzt.<br />
Das Rehabudget orientiert sich also an der Lohnentwicklung,<br />
nicht am Bedarf.<br />
Zwei Drittel der Rehabilitationsausgaben der Deutschen<br />
Rentenversicherung liegen im Bereich der medizinischen<br />
Rehabilitation. Und für diesen Bereich muss<br />
man feststellen, dass die Differenz zwischen der kontinuierlich<br />
ansteigenden Zahl der Rehabilitationsanträge<br />
und der Zahl der Bewilligungen seit 2006 immer größer<br />
geworden ist. Es werden im Verhältnis also weniger Anträge<br />
bewilligt, auch wenn die Zahl der bewilligten Anträge<br />
insgesamt leicht steigt.<br />
Ganz offensichtlich steht die Rentenversicherung vor<br />
dem Problem, die steigenden Ansprüche an ihre Leistungen<br />
im Rahmen ihrer Mittel zu bewältigen. Sie ist also<br />
gezwungen, entweder weniger Anträge zu bewilligen<br />
oder ihre Ausgaben für die einzelnen Rehabilitationsleistungen<br />
zu senken. Es gibt durchaus politisch sinnvolle<br />
Maßnahmen, die auch zu Kostensenkungen führen:<br />
eine Schwerpunktlegung auf ambulante Leistungen oder<br />
indem Leistungen flexibel auf individuelle Fälle abgestimmt<br />
werden. Nichtsdestotrotz steigt die Bedeutung<br />
der Rehabilitation insgesamt. Rehabilitation wird wichtiger<br />
und muss entsprechend gesichert werden. Eine<br />
Politik der Ausgliederung, wie sie die Bundesregierung<br />
arbeitsmarktpolitisch faktisch betreibt, ist nicht zielfüh-<br />
Zu Protokoll gegebene Reden<br />
(D)