Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15433<br />
(A) pagegner diffamieren. Und es schadet der Sache, wenn Ehe wir den ESM dauerhaft installieren, müssen die (C)<br />
sie in einer kritischen (Krisen-)Phase der EU versuchen, Wirkmechanismen der EFSF analysiert werden. Hier<br />
ihre Fantasien von den „Vereinigten Schuldenstaaten geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.<br />
von Europa“ zu realisieren.<br />
Mit der heutigen Debatte ist jedenfalls sicher kein<br />
Die CSU hat das Europa der Regionen in der Bayerischen<br />
Verfassung verankert. Das bleibt unsere Richt-<br />
Schlusspunkt gesetzt.<br />
schnur.<br />
Jens Petermann (DIE LINKE): Ich stimme gemein-<br />
Für geradezu schändlich halte ich es, wenn bei Dissam mit meiner Fraktion gegen den erweiterten Eurokussionen<br />
um Ausgestaltung und Vorgehen in einer Rettungsschirm, weil er in eklatanter Weise demokrati-<br />
Krise nicht auf Argumente eingegangen wird, sondern sche Prinzipien in ganz Europa verletzt.<br />
mit viel Pathos über Krieg und Frieden philosophiert<br />
wird. Diese Ablenkungsmanöver sind durchschaubar<br />
und Teil des Problems.<br />
Ich bedaure es, dass CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD<br />
nicht nur diesem neuen Rettungspaket für Banken und<br />
Spekulanten zustimmen, sondern auch den Einschrän-<br />
Wir waren noch immer in der Lage, ökonomische kungen der demokratischen Abgeordnetenrechte und der<br />
Kriterien richtig zu beschreiben: bei der Euro-Einfüh- Rechte des <strong>Bundestag</strong>s im Hinblick auf die Kontrolle<br />
rung beispielweise das Schuldenübernahmeverbot und des Euro-Rettungsfonds. Ich halte es in diesem Zusam-<br />
den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wider besseren menhang für einer Demokratie nicht würdig, dass alle<br />
Wissens müssen diese Ansprüche aber dann offenbar im- anderen Fraktionen gegen die Vorschläge der Linken gemer<br />
wieder angeblich höherrangigeren politischen Erwästimmt haben, wenigstens den <strong>Bundestag</strong> über die Vergungen<br />
weichen.<br />
gabe der zusätzlichen Milliarden abstimmen zu lassen.<br />
(B)<br />
Die Aufnahme Griechenlands in den Euro-Raum ist<br />
ein klassisches Beispiel dafür. Man kann sagen: Die<br />
Griechen haben ihre Zahlen geschönt. Aber die Gegenseite,<br />
allen voran die Regierung Schröder, hat die falschen<br />
Zahlen doch glauben wollen. Jedenfalls kann man<br />
den <strong>Bundestag</strong>sprotokollen von damals entnehmen, dass<br />
CSU-Kollegen auf die Manipulation hingewiesen und<br />
von „einem schweren Fehler“ gesprochen haben. Von<br />
Europapathos befeuert, wollte man Griechenland im<br />
Euro haben. Die Griechen hätten übrigens wegen ihrer<br />
Produktivitätsdefizite, die sie nur durch die Abwertung<br />
der Drachme hätten ausgleichen können, gut daran getan,<br />
dem Euro-Raum nicht beizutreten.<br />
Ich stimme gegen den erweiterten Euro-Rettungsschirm,<br />
weil damit die Demokratie den sogenannten Finanzmärkten<br />
geopfert wird.<br />
Ich stimme gegen den erweiterten Euro-Rettungsschirm,<br />
weil unüberschaubare finanzielle Risiken auf die<br />
Bevölkerung zukommen. Mittlerweile qualifiziert selbst<br />
die Deutsche Bank die Risiken aus den Bürgschaften des<br />
Euro-Rettungsschirms für die Steuerzahler auf über<br />
400 Milliarden Euro. Es ist grob fahrlässig, diesem Bündel<br />
aus Demokratiebabbau, Sozialkürzungen und Bankenhilfe<br />
ohne Gegenleistung mit unabsehbaren finanziellen<br />
Risiken die Zustimmung zu erteilen.<br />
(D)<br />
Rot-Grün hat im Nachgang auch noch den Stabilitäts- Ich stimme gegen den erweiterten Rettungsschirm,<br />
und Wachstumspakt aufgeweicht – auch das wider bes- weil die Euro-Krise nur durch Schließung des Spekulaseres<br />
Wissen. Ein wenig mehr Demut in der Debatte tionskasinos gelöst werden kann. Den Spekulanten muss<br />
hätte ich mir auch von dieser Seite gewünscht.<br />
der Boden entzogen werden. Die Staaten müssen sich<br />
Jetzt geben wir die No-Bail-out-Regel auf, wonach<br />
eine gegenseitige Schuldenübernahme wohlweislich<br />
nicht infrage kommt. Das beschwert mich besonders.<br />
Wir müssen zu einem Weg zurückfinden, der die disziplinierenden<br />
Kräfte des Marktes sicherstellt. Höhere<br />
Zinsen müssen Schuldner zum Sparen zwingen. Die<br />
Griechen haben den Realzinsvorteil nicht für Investitionen,<br />
sondern für Konsum genutzt.<br />
unabhängig von den Kapitalmärkten finanzieren können,<br />
über eine Bank für öffentliche Anleihen. Die Finanzmärkte<br />
müssen endlich streng reguliert werden. Und die<br />
Verursacher und Profiteure der Krise müssen zur Kasse<br />
gebeten werden: Dies kann man durch eine EU-weite<br />
Vermögensabgabe für Superreiche, durch eine Finanztransaktionsteuer<br />
und durch eine Beteiligung großer privater<br />
Gläubiger realisieren.<br />
Mein Anliegen ist es, das, was zu Zeiten Theo Waigels<br />
richtig vereinbart wurde, zu verteidigen, insbesondere<br />
dem Stabilitäts- und Wachstumspakt Geltung zu<br />
Mein Nein zum erweiterten Euro-Rettungsschirm ist<br />
ein Ja zu Europa, ein Ja zur Demokratie und ein Ja zum<br />
Primat der Politik über die Finanzmärkte.<br />
verschaffen.<br />
Ich werde weiter eine Insolvenzordnung für Staaten<br />
einfordern. Die haushalterischen Eingriffsmöglichkeiten<br />
der EU gehören in diesen Kontext. Die EU darf nur in<br />
Funktion eines „Insolvenzverwalters“ in nationale Haus-<br />
Richard Pitterle (DIE LINKE): Bei der Abstimmung<br />
über die Aufstockung und Ausweitung des Euro-Rettungsschirms,<br />
EFSF, im Deutschen <strong>Bundestag</strong> habe ich<br />
mit Nein gestimmt.<br />
halte eingreifen. Alle anderen Maßnahmen zur wirt- Auch ich bin der Überzeugung, dass Maßnahmen erschafts-<br />
und finanzpolitischen Koordination bedürfen eiforderlich sind, um die Staatsfinanzierung von den priner<br />
demokratischen Rückbindung an die nationalen vaten Finanzmärkten abzukoppeln, um zu verhindern,<br />
Parlamente. Sie müssen wir stärken, um das Befremden dass einzelne Staaten der Spekulation der Finanzmafia<br />
über einsame Brüsseler Entscheidungen zu beseitigen. ausgesetzt werden.