Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15369<br />
Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner<br />
(A) darüber, dass die meisten von Ihnen dies ebenso sehen Ich begrüße sehr, dass auch die Länder die Schaffung (C)<br />
und deshalb die Härtefallregelung letzte Woche im In- einer neuen Härtefallregelung grundsätzlich gutheißen.<br />
nenausschuss unterstützt haben. Diese Unterstützung Mit der Absicht der Länder, missbräuchliche Handha-<br />
verdient sie auch weiterhin. Im Einzelnen habe ich dies bungen und zeitlich unkalkulierbare Zuzüge von Famili-<br />
ja bereits anlässlich der ersten Befassung mit dem Geenangehörigen zu unterbinden, stimmt die Bundesregiesetzentwurf<br />
erläutert. Daher beschränke ich mich heute rung überein. Aus den von mir bei der ersten Beratung<br />
auf eine knappe Darstellung der wesentlichen Argu- genannten Gründen wollen wir dem Anliegen der Länmente<br />
für die neue vertriebenenrechtliche Härtefallreder allerdings durch untergesetzliche Regelungen Rechgelung.nung<br />
tragen, nicht durch eine gesetzliche Befristung der<br />
nachträglichen Einbeziehung. So ermöglichen wir zukünftig<br />
eine flexible Handhabung, in deren Rahmen wir<br />
auch zeitnah Erkenntnisse aus der Praxis berücksichtigen<br />
können.<br />
Erstens. Mit der Härtefallregelung bekundet<br />
Deutschland seine dauerhafte historische Verantwortung<br />
gegenüber den Menschen, die als Deutsche in Osteuropa<br />
und Südosteuropa sowie in den Staaten der ehemaligen<br />
Sowjetunion unter den Folgen des Zweiten<br />
Weltkrieges am längsten gelitten haben. Dies entspricht<br />
auch unserer Verfassung, deren Art. 116 Abs. 1 die Solidarität<br />
mit Vertriebenen, Flüchtlingen und deren Ehegatten<br />
und Abkömmlingen verbürgt.<br />
Zweitens. Die nachträgliche Einbeziehung von bislang<br />
zurückgebliebenen Ehegatten oder Abkömmlingen<br />
ermöglicht nicht etwa den Verzicht auf die „üblichen“<br />
Voraussetzungen einer Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz.<br />
Nach dem Gesetzentwurf kann eine<br />
nachträgliche Einbeziehung vielmehr nur dann erfolgen,<br />
wenn alle anderen Voraussetzungen, die im Falle<br />
einer Einbeziehung vor Aussiedlung vorliegen müssen,<br />
erfüllt sind. Damit sind auch weiterhin deutsche Sprachkenntnisse<br />
notwendig.<br />
Den von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten<br />
Änderungsanträgen kann ich nicht folgen:<br />
So besteht bereits kein Bedarf für die beantragte<br />
Schaffung einer gesonderten Norm zur Gleichstellung<br />
von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten. Denn<br />
auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gibt es<br />
keine eingetragenen Lebenspartnerschaften als eigenständige<br />
Rechtsform. Es gibt also für diese Norm keinerlei<br />
Bezugsgröße.<br />
Der beantragte Wegfall der Beschränkung der neuen<br />
Härtefallregelung auf die im Aussiedlungsgebiet verbliebenen<br />
Ehegatten und Abkömmlinge wäre vertriebenenrechtlich<br />
zweck- und systemwidrig. Sinn und Zweck<br />
der Neuregelung ist es, im Einklang mit der Systematik<br />
des Vertriebenenrechts den vormals im Aussiedlungsgebiet<br />
verbliebenen Ehegatten und Abkömmlingen eine<br />
„zweite Chance“ zur nachholenden Aussiedlung zu eröffnen.<br />
Dabei ist zu berücksichtigen, dass als „Aussiedlergebiet“<br />
alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion gelten,<br />
sodass etwa ein Umzug von Kasachstan nach<br />
Russland bei Härtefällen der nachträglichen Einbeziehung<br />
keine grundsätzlichen Hindernisse schafft.<br />
Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im<br />
Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme<br />
finden sollen, die bereits – womöglich auf ausländerrechtlicher<br />
Basis – in Deutschland leben, entspräche<br />
das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle<br />
tragischer Familientrennungen – Härtefälle – sind nicht<br />
vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits<br />
in Deutschland leben.<br />
Lassen Sie mich schließlich darauf hinweisen, dass<br />
die hier vorgestellte Härtefallregelung keine unüberschaubare<br />
Welle neuer Spätaussiedlung zur Folge haben<br />
wird. Sie ist weder Teil einer Zuwanderungspolitik noch<br />
sollte sie als ein Teil davon verstanden werden. Die vorliegende<br />
Härtefallregelung ist vielmehr Ausfluss des bis<br />
in unsere Tage fortreichenden Bemühens aller bisherigen<br />
Bundesregierungen, sich der Verantwortung<br />
Deutschlands im Blick auf die Folgen des Nationalsozialismus<br />
und des Zweiten Weltkrieges für die am stärksten<br />
betroffenen deutschen Minderheiten zu stellen.<br />
Vor diesem Hintergrund verdient die Härtefallregelung<br />
unsere Unterstützung.<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss<br />
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache<br />
17/7178, den Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
auf Drucksache 17/5515 anzunehmen. Hierzu liegen<br />
zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die<br />
Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen.<br />
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache<br />
17/7214? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag<br />
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen<br />
gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt.<br />
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache<br />
17/7215? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag<br />
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis<br />
abgelehnt.<br />
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen<br />
wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen?<br />
– Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter<br />
Beratung angenommen mit den Stimmen der<br />
Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung<br />
der Linken und der Grünen.<br />
Dritte Beratung<br />
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem<br />
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –<br />
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf<br />
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der<br />
SPD-Fraktion bei Enthaltung der Linken und der Grünen<br />
angenommen.<br />
(D)