Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15418 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) lichkeit mutmaßlich brechen. In dieser Handhabung sehe den Euro erhöhte Garantierahmen nicht ausreichen, falls (C)<br />
ich eine Verletzung meiner Rechte, sowohl als Abgeord- sich die Krise ausbreitet und Italien oder Spanien erneter,<br />
als auch als Person.<br />
reicht – zumal die EFSF künftig auch Anleihen ange-<br />
Zweitens. Fälle besonderer Eilbedürftigkeit:<br />
schlagener Euro-Länder kaufen soll. Unklarheiten bestehen<br />
weiterhin dadurch, dass die zusätzlich vorgesehenen<br />
Bei einer eilbedürftigen Situation, die zum Beispiel<br />
bei einer Intervention der EFSF am Sekundärmarkt vorliegt,<br />
könnten die Mitglieder des Haushaltsausschusses<br />
ebenso schnell zusammengerufen werden, wie die Mitglieder<br />
des Kleinstgremiums. Wenn mehrere Mitglieder<br />
des Kleinstgremiums sich zum besagten Zeitpunkt beispielsweise<br />
auf einer Dienstreise in Australien befinden,<br />
dann sind sie gleichermaßen schwer zu erreichen. Ich<br />
hoffe inständig, dass die verantwortlichen parlamentarischen<br />
Geschäftsführer nicht vorhaben, eine Telefonoder<br />
Videokonferenz für diese Fälle vorzusehen, und so<br />
die Abstimmung aus der Ferne zuließen. Dies würde in<br />
Kompetenzen des Rettungsschirms noch nicht abschließend<br />
geregelt sind. Fraglich ist auch, wie sich die Beschlüsse<br />
des Europäischen Rates vom 21. Juli 2011 auf<br />
die praktische Arbeit des Fonds auswirken, da die Ausführungsbestimmungen<br />
zum EFSF-Rahmenvertrag noch<br />
nicht vollständig vorliegen. Warum sollte Deutschland<br />
weitere Garantien geben und Gefahr laufen, selbst Kreditwürdigkeit<br />
einzubüßen? Eine Schuldentragfähigkeit<br />
Griechenlands ist bereits heute nicht mehr gegeben. Mit<br />
neuem Geld, neuen Schulden wäre Griechenland nicht<br />
geholfen, das schon in der Vergangenheit die Anforderungen<br />
der sogenannten Troika nicht erfüllen konnte.<br />
entscheidender Weise die Geheimhaltung gefährden.<br />
Konditionalität: Das führt mich zu einem zentralen<br />
Ein solches Verfahren widerspricht darüber hinaus Punkt: Mit der Verschärfung des Stabilitäts- und Wachs-<br />
den organschaftlichen Verpflichtungen, die der Deutsche tumspakts wurden Teile der nationalen Budgetkontrolle<br />
<strong>Bundestag</strong> sich selbst gegeben hat. Es ist in keinem Fall an die EU abgetreten. Bisher sehe ich aber nicht, dass die<br />
zulässig, die Zustimmung, beispielsweise zum Haus- neuen Regeln greifen. Wahrscheinlicher ist, dass gerade<br />
haltsgesetz, per Telefon zu erklären. Es ist stets die An- hoch verschuldete Länder wie Griechenland immer wieweisung<br />
im Plenum oder im Ausschuss erforderlich. der Wege finden werden, um Verschuldungsregeln zu<br />
umgehen. Wir geben zwar Geld, unsere Einflussmöglichkeiten<br />
und Durchgriffsrechte auf die zu rettenden<br />
Länder sind aber zu gering. Daher halte ich den eingeschlagenen<br />
Weg für falsch. Das Signal an die Märkte<br />
muss heißen: keine unbegrenzten Hilfen, keine Spekulation<br />
gegen ohnehin schon angeschlagene Länder, kein<br />
„Weiter-so“ um jeden Preis. Die Politik ist zum Spielball<br />
(B)<br />
der Finanzmärkte geworden, eine Entwicklung, die dringend<br />
der Umkehrung bedarf.<br />
(D)<br />
Reiner Deutschmann (FDP): Ich habe Zweifel, ob<br />
der zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf der einzig<br />
richtige Weg ist, um die Schuldenkrise der Euro-<br />
Staaten wirksam zu bekämpfen. Auch wenn ich das Ziel<br />
grundsätzlich teile, in Not geratenen Euro-Staaten zu<br />
helfen, so muss es nach meiner Überzeugung möglich<br />
sein, diejenigen Staaten in eine geordnete Insolvenz zu<br />
überführen, die ihr Schuldenproblem nicht mehr bewältigen<br />
können oder wollen. Problematisch ist aus meiner<br />
Sicht auch, dass die Risiken, die aus der Schuldenkrise<br />
einiger Euro-Staaten resultieren, nicht vollumfänglich<br />
eingeschätzt werden können.<br />
Ich stimme dem Gesetzentwurf dennoch zu, da es derzeit<br />
keine anderen schlüssigen Alternativen zur Rettung<br />
der Euro-Krisenstaaten gibt. Mit dem Gesetzentwurf beweist<br />
die Koalition von CDU/CSU und FDP, dass sie<br />
handlungsfähig ist und sich ihrer staatspolitischen Verantwortung<br />
stellt, im Bewusstsein der wirtschaftlichen<br />
Bedeutung Europas für unser Land sind Union und FDP<br />
gewillt, die zur Stabilisierung unseres Finanzsystems<br />
notwendigen Schritte einzuleiten, auch wenn dies bedeutet,<br />
Deutschland einer verschärften Bürgschaft für Euro-<br />
Krisenstaaten zu unterwerfen.<br />
Meine Zustimmung erteile ich nur, da festgeschrieben<br />
ist, dass jede finanzielle Zusage auf Grundlage dieses<br />
Gesetzes von der Zustimmung des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />
und seiner Gremien abhängig gemacht wird. Damit<br />
erfährt das deutsche Parlament eine bis dahin nie dagewesene<br />
Stärkung seiner Bedeutung bei finanzpolitischen<br />
Entscheidungen europäischen und weltweiten Ausmaßes.<br />
Thomas Dörflinger (CDU): Die Erweiterung der<br />
EFSF wird nicht die gewünschten Effekte bringen. Nach<br />
meiner Überzeugung würde selbst der auf 780 Milliar-<br />
Leverage-Effekt: Die aktuelle Diskussion um eine<br />
nachträgliche Ausweitung des Rettungsfonds macht außerdem<br />
deutlich, wohin die Reise gehen könnte. So existieren<br />
Planspiele, die EFSF mit einem „Hebel“ zu versehen,<br />
um ihr Ausleihvolumen erheblich zu vergrößern.<br />
Ich halte es für durchaus denkbar, dass der Fonds in die<br />
Lage versetzt werden soll, selbst Anleihen der Krisenstaaten<br />
zu kaufen; diese werden dann bei der EZB als Sicherheit<br />
hinterlegt und der Fonds bekäme dafür von der<br />
Zentralbank neues Geld für weitere Ankäufe. Das sind<br />
Stimmen, die bereits selbst aus der Kommission zu hören<br />
sind und einer praktisch unbegrenzten Kreditlinie für<br />
den Fonds das Wort reden.<br />
Unabhängig davon, wie wahrscheinlich die Aufhebelung<br />
des Rettungsschirms ist: Die Märkte eilen der Politik<br />
wieder einmal voraus. Der <strong>Bundestag</strong> stimmt heute<br />
über die Aufstockung des Rettungsschirms ab, während<br />
die Märkte längst über den nächsten Schritt spekulieren<br />
und damit neue Gefahren aufzeigen.<br />
EZB-Risiken: Der Aufkauf von Staatsanleihen durch<br />
die EZB birgt erhebliche Risiken. Am Beispiel Italien<br />
zeigt sich, dass dadurch die Zinsen für Schuldverschreibungen<br />
sinken, wodurch der Anreiz für weitere Sparanstrengungen<br />
sinkt. Ein weiteres Problem sind die sogenannten<br />
Offenmarktgeschäfte. Bereits heute sind Banken<br />
in einigen Ländern allein auf die EZB angewiesen, können<br />
sich nicht mehr im Interbankenmarkt finanzieren.