Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15402 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Björn Sänger<br />
sachen, die darauf hindeuten, dass es sich bei Vermö- immer vom Kopf. Offensichtlich fehlte es am politischen (C)<br />
genswerten, die mit einer Transaktion oder Geschäfts- Willen und Anleitung durch die Spitzen.<br />
beziehung im Zusammenhang stehen, um den Gegenstand<br />
einer Straftat nach § 261 StGB handelt, soll der<br />
Verdacht schon gemeldet werden. Hindeuten, wie kann<br />
man das genauer bestimmen? Gehen wir da nach dem<br />
Bauchgefühl eines Mitarbeiters? Wie schule ich zunächst<br />
den Mitarbeiter und erzähle ihm, er solle nach<br />
seinem Bauchgefühl gehen? Schaffen wir da wirklich<br />
Rechtssicherheit oder Unsicherheiten in der Anwendung?<br />
Es ist schlicht peinlich, das Deutschland als Gründungsmitglied<br />
der FATF sich anhören muss, dass es<br />
Rechtsstandards nicht umsetzen kann, ja dass es fast auf<br />
der schwarzen Liste der OECD gelandet wäre. Auf dieser<br />
Liste landen nur jene Länder, die als Risiko für das<br />
internationale Finanzsystem eingestuft werden.<br />
Deutschland ist also wegen der Unfähigkeit des Innenministeriums<br />
und des Wirtschaftsministeriums international<br />
als Beinahe-Risiko für das internationale Finanz-<br />
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir uns das, neben system bekannt. Geldwäscheexperten gehen davon aus,<br />
vielen anderen Punkten, sehr genau anschauen müssen. dass in Deutschland zwischen 40 und 60 Milliarden<br />
Das Gesetz wird aber in jedem Fall eine liberale Hand- Euro – ich wiederhole: 40 bis 60 Milliarden Euro – krischrift<br />
bekommen.<br />
minelle Gelder gewaschen werden. Selbst vor der EU-<br />
Kommission hat sich Deutschland schon zwei Vertrags-<br />
Richard Pitterle (DIE LINKE):<br />
Man sollte meinen, dass Geldwäsche so kompliziert<br />
verletzungsverfahren eingehandelt. Von wegen deutsches<br />
Vorzeigemodell!<br />
(B)<br />
ist, dass sich nur einige wenige, die ihre gesamte kriminelle<br />
Energie darauf verschwenden wollen, damit befassen.<br />
Leider hat mich die Recherche für diesen Gesetzentwurf<br />
eines Besseren belehrt. Ein Handy reicht schon für<br />
anonyme Geldtransfers. Der Geldwäscher lädt sich einen<br />
beliebig hohen Betrag auf seine Prepaid-SIM-Karte.<br />
Dann kann er diese Summe per SMS an einen Kontakt in<br />
irgendeinem Land überweisen. Der Empfänger kann<br />
sich dann das Geld von einer Bank, einem Laden oder<br />
einem Händler mit einem Code auszahlen lassen – im<br />
Jemen, in Pakistan oder wo auch immer er ist. Der<br />
Geldfluss selbst hinterlässt keine Spuren.<br />
Nicht erst seit dem 11. September sprechen wir von<br />
den Gefahren der Geldwäsche und Terrorfinanzierung.<br />
Deutschland ist seit ihrer Gründung im Jahr 1989 Mitglied<br />
der Financial Action Task Force, kurz FATF, dem<br />
Wenn Deutschland sich einen Rechtsstaat nennen<br />
will, dann müssen Gesetze ohne Ausnahme umgesetzt<br />
werden. Dass die Verantwortung für Geldwäscheprävention<br />
dem Finanzministerium übergeben wird, unterstützen<br />
wir. Aber dass die Untätigkeit des Innenministeriums<br />
und des Wirtschaftsministeriums folgenlos bleibt,<br />
ist absolut inakzeptabel. Anstatt ständig einen Teil der<br />
Opposition, die Linke, zu bespitzeln, hätte das Innenministerium<br />
sich auf die konsequente Bekämpfung der<br />
Geldwäsche konzentrieren sollen.<br />
Hoffen wir, dass das Finanzministerium das erreicht,<br />
woran Innenministerien und Wirtschaftsministerien gescheitert<br />
sind. Wenn im Februar kommenden Jahres die<br />
FATF-Prüfer wieder nach Deutschland kommen, werden<br />
wir die Ergebnisse ja sehen.<br />
(D)<br />
wichtigsten internationalen Gremium zur Bekämpfung<br />
dieser Gefahren. Unter deutscher Präsidentschaft wurden<br />
2003 sogar Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche<br />
grundlegend überarbeitet.<br />
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Der heute in den <strong>Bundestag</strong> eingebrachte Entwurf eines<br />
Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention<br />
ist ein gutes Stück Fleißarbeit. Viele Kritikpunkte<br />
Der Blick unter den eigenen Teppich aber offenbart der Financial Action Task Force, FATF, die Deutschland<br />
Interessantes: Im vorliegenden Gesetzentwurf heißt es<br />
– ich zitiere –:<br />
bisher als äußerst günstigen Standort für Geldwäsche<br />
charakterisiert, werden darin angegangen – allerdings<br />
Die geänderten Informations- und Aufzeichnungspflichten<br />
… bestanden bereits nach dem Geldwäschegesetz<br />
vom 25. Oktober 1993 bzw. nach dem<br />
Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz vom<br />
13. August 2008.<br />
erst zehn Jahre nach Entwicklung der Prüfkriterien. Die<br />
Zahl der Verdachtsmeldungen im Nichtfinanzbereich ist<br />
weiterhin eklatant niedrig. Erhebliche Mängel stellte die<br />
FATF auch bei der Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten<br />
und der laxen Handhabung der Sorgfaltspflichten<br />
fest.<br />
Wenn sie schon bestehen, warum brauchen wir dann<br />
das vorliegende Gesetz?<br />
Die deshalb im Gesetzentwurf vorgenommenen Konkretisierungen<br />
sind gut und richtig und werden von uns<br />
Im Text heißt es weiter: Die einschlägigen gesetzli- unterstützt. Dennoch würde ich darauf wetten, dass das<br />
chen Regelungen sind bisher von den nach Landesrecht Thema trotz dieser Novelle bald erneut auf die Tages-<br />
zuständigen Stellen weitgehend nicht umgesetzt worden. ordnung kommt. Beim Wetten ändert sich schon der<br />
– Jetzt wird es klar. Was macht also das vorliegende Ge- Blickwinkel auf die Thematik: Wettbüros, Spielkasinos,<br />
setz? Es entzieht die Verantwortung für die Umsetzung Spielautomaten gehören genauso wie Immobilien- und<br />
dem Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium Goldhandel zu den sensiblen Bereichen der Wirtschaft,<br />
und schiebt sie dem Finanzministerium zu. Da fragt man in denen Geldwäsche stattfindet. Während es aus Sicht<br />
sich: Wer hat diese Untätigkeit der beiden Ministerien der Bundesregierung richtig ist, den Forderungskatalog<br />
zu verantworten? Wir wissen, dass es nicht an den fleißi- der FATF abzuarbeiten, dürfte der Gesetzentwurf aus<br />
gen Beamtinnen und Beamten in den Ministerien liegt, Sicht eines Geldwäschers wenig bedrohlich erscheinen.<br />
wenn nichts oder zu wenig passiert ist. Der Fisch stinkt Zwar werden einige Sicherheitslücken geschlossen, ein<br />
Zu Protokoll gegebene Reden