Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15352 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Dr. Lutz Knopek<br />
vorbereitet hat, hat in ihrem <strong>Bericht</strong> aufgezeigt, dass es brennbar ist, erfährt der Betrachter ebenfalls nicht. So (C)<br />
möglich ist, eine Anpassung vorzunehmen, die das be- ist fehlerhaftes oder leichtsinniges Verhalten vorprostehende<br />
Schutzniveau weitestgehend unverändert lässt. grammiert.<br />
Es geht uns also nicht darum, einseitig Verschärfungen<br />
zu verhindern, sondern auch der in einigen Teilen vorgesehenen<br />
Absenkung des Schutzniveaus entgegenzutreten.<br />
Der zweite wesentliche Punkt, den wir in unserem<br />
Entschließungsantrag aufgegriffen haben, ist der Zugang<br />
der Öffentlichkeit zu sicherheitsrelevanten Informationen.<br />
Wir sind der Auffassung, dass die bestehenden<br />
Informationspflichten ausreichend sind. Der<br />
Bundesrat hat zudem zu bedenken gegeben, dass eine<br />
Ausweitung des öffentliche Zugangs zu sicherheitsrelevanten<br />
Informationen die Gefahr berge, dass diese für<br />
gezielte Anschläge auf Chemieanlagen genutzt werden<br />
könnten. Da sich die bestehenden Regelungen über viele<br />
Jahre bewährt haben, sehen wir keine Notwendigkeit,<br />
dieses Risiko einzugehen. Wir haben daher die Anregungen<br />
des Bundesrates aufgegriffen und sprechen uns gegen<br />
eine solche Ausweitung der Informationspflichten<br />
aus.<br />
Positiv für die Linke sind die in der EU-Vorlage ausgeweiteten<br />
Informationsrechte für EU-Bürger. Das<br />
Recht der Umweltverbände und unabhängigen Fachleute,<br />
die im Rahmen der Richtlinie erhobenen Daten<br />
und an die EU übermittelten Informationen einzusehen,<br />
bringt mehr Transparenz und erhöht die Sicherheit für<br />
uns alle. Aber gerade diese Transparenz wollen CDU<br />
und FDP mit ihrer Art der Umsetzung der EU-Richtlinie<br />
aushebeln, genauso wie die Koalition optimalen Verbraucherschutz<br />
durch höhere nationale Schutzniveaus<br />
mit der Begründung „das benachteiligt unseren Standort“<br />
verhindert. Die Koalition will den Schutz der Verbraucher<br />
und Beschäftigten über Anpassung nach unten<br />
auf ein möglichst niedriges, kostenneutrales Level senken.<br />
Die Gewinne aus dieser Absenkung werden die<br />
Chemiekonzerne einfahren. Das Leid bleibt bei den unnötig<br />
Verletzten und die Kosten für die Behandlung unnötiger<br />
Opfer trägt die Gesellschaft. Leider spielen<br />
Union und FDP auch in diesem Bereich das Spiel: Ge-<br />
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die bestehende winne privat, Verluste dem Staat.<br />
(B)<br />
Seveso-II-Richtlinie ihren Zweck außerordentlich gut erfüllt<br />
hat und dass die jetzt erforderlich gewordene Anpassung<br />
sich daher auf das wirklich zwingend Notwendige<br />
beschränken sollte. Die schwarz-gelbe Koalition ist<br />
sich in diesem Punkt mit der Bundesregierung vollkommen<br />
einig, und wir sind zuversichtlich, dass die derzeit<br />
andauernden Verhandlungen auf europäischer Ebene zu<br />
einem guten Ergebnis kommen werden.<br />
Die Linke teilt die Befürchtung von Fachleuten, dass<br />
die Liste der überwachungspflichtigen Stoffe zu kurz ist<br />
und dass die dort festgelegten Mengenschwellen zur<br />
Überwachung zu großzügig angesetzt sind. Dass sogar<br />
gesundheitsgefährdende Stoffe aus der Überwachung<br />
herausfallen, passt ins Bild der die Menschen ignorierenden,<br />
aber die Industrie streichelnden Koalitionspolitik.<br />
(D)<br />
Ralph Lenkert (DIE LINKE):<br />
Die Seveso-II-Richtlinie hat sich bewährt. Wie der<br />
Name Seveso es ausdrückt, soll die Richtlinie vor schweren<br />
Unfällen mit Chemikalien schützen. Niemand weiß,<br />
wie viele Tote und Verletzte durch Unfälle mit gefährlichen<br />
Stoffen konkret mit dieser Richtlinie vermieden<br />
werden konnten. Jedoch steht fest, dass Zusammenhänge<br />
von Schulungen und Sorgfalt im Umgang mit gefährlichen<br />
Stoffen mit der Anzahl der Unfälle bestehen.<br />
Der beste Unfallschutz ist Vorsicht und vor allem eine<br />
Kenntnis der Gefahren.<br />
Deshalb wäre eine weltweite Vereinheitlichung der<br />
Gefahrenkennzeichnung von Stoffen eigentlich zu begrüßen.<br />
Doch die jetzigen Piktogramme nach der CLP-<br />
Richtlinie über die Kennzeichnungen gefährlicher Stoffe<br />
erschließen sich oft nur den Eingeweihten. Diese Richtline<br />
opfert eine klar erkenn- und bewertbare Kennzeichnung<br />
gefährlicher Chemikalien einer teils verharmlosenden<br />
Vereinheitlichung.<br />
So werden beispielsweise Gefahren für die Gesundheit<br />
durch das Brustbild einer Person mit angedeuteter<br />
Lunge dargestellt und mit den Worten „Gefahr“ und<br />
„Achtung“ ergänzt. Ob die Substanz im Verdacht steht,<br />
Krebs zu erzeugen, wie Zigaretten, oder sehr giftig ist,<br />
wie Quecksilber, lässt sich nicht unterscheiden. Das Erkennen<br />
der Warnung vor der Ätzwirkung von Flüssigkeiten<br />
erfordert vom unbedarften Betrachter viel Fantasie,<br />
und ob eine Flüssigkeit leichtentzündlich oder nur<br />
Wir haben Seveso und die anderen Orte schwerer<br />
Chemieunfälle nicht vergessen, die Toten, die Kranken<br />
und die Menschen, die Hab und Gut verloren. All dies<br />
geschah durch die Gier nach mehr Profiten und die<br />
Ignoranz oder Aufhebung von strengen Regeln für die<br />
Industrie unter dem Deckmantel von Standortsicherung,<br />
Wettbewerbsfähigkeit und Entbürokratisierung.<br />
Im Interesse der Menschen muss die Linke diesen<br />
Vorschlag ablehnen.<br />
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Derzeit wird die sogenannte Seveso-II-Richtlinie aus<br />
dem Jahr 1996 überarbeitet. Ziel der Richtlinie ist es,<br />
schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhindern<br />
und Unfallfolgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen.<br />
Industrieanlagen, die der Seveso-Richtlinie unterliegen,<br />
also mit gefährlichen Stoffen in erheblichen Mengen<br />
umgehen, müssen zusätzliche Sicherheitsauflagen einhalten.<br />
Außerdem bestehen verschärfte Informationspflichten,<br />
vor allem bei Unfällen mit gefährlichen Chemikalien.<br />
Ziel der Überarbeitung der EU-Richtlinie ist es, die<br />
Informationsflüsse über die gefährlichen Chemikalien<br />
zu verbessern. Außerdem war dringend eine Anpassung<br />
der Liste der gefährlichen Stoffe an das UN-System zur<br />
Einstufung gefährlicher Stoffe notwendig, um zu weltweit<br />
einheitlichen Listen zu kommen.<br />
Zu Protokoll gegebene Reden