Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15263<br />
(A)<br />
Dr. Johann Wadephul<br />
suchen, in einigen Fällen aber überhaupt keine Fach- (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sehr lobenswert!) (C)<br />
kräfte mehr finden.<br />
Ich möchte erstens festhalten, dass es in der Tat wün-<br />
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE schenswert ist, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu ha-<br />
GRÜNEN]: Und trotzdem befristet! Das ist ben. Zweitens möchte ich sagen, dass aber die Gleichstel-<br />
doch paradox!)<br />
lung, die hier der eine oder andere Redner vorgenommen<br />
In dieser Situation malen Sie hier, im Deutschen <strong>Bundestag</strong>,<br />
ein Bild, als wären Prekariat, Unsicherheit, Arbeitslosigkeit<br />
und Beschäftigungslosigkeit auf dem deutschen<br />
Arbeitsmarkt der Regelfall. Diese Schwarzmalerei hat<br />
mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Sie stellt die Erfolgsgeschichte<br />
der deutschen Wirtschaftspolitik schlicht<br />
und ergreifend in Abrede.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />
hat – auch Sie, Frau Kollegin Müller-Gemmeke –, nämlich<br />
von vornherein zu sagen, ein befristetes Arbeitsverhältnis<br />
sei automatisch ein prekäres Arbeitsverhältnis,<br />
falsch ist. Das entspricht nicht der Wirklichkeit. Das müssen<br />
wir ganz eindeutig festhalten. Die Alternative zu einem<br />
befristeten Arbeitsverhältnis ist in aller Regel die Arbeitslosigkeit.<br />
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)<br />
Deshalb bleiben wir im Grundsatz bei unserer Aussage:<br />
Niemand in diesem Hause bestreitet, dass ein befriste- Sozial ist, was Arbeit schafft.<br />
tes Arbeitsverhältnis weniger gut ist als ein unbefristetes<br />
Arbeitsverhältnis. Ich kenne niemanden, der ein befristetes<br />
Arbeitsverhältnis für wünschenswert hält. Wenn Sie<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
jetzt in Ihren Anträgen darauf hinweisen, welche Folgen Jeder Arbeitsplatz, auch wenn es nur ein befristeter ist,<br />
das für die Familiengründung hat – da haben wir Sie ist ein guter Arbeitsplatz.<br />
endlich an unserer Seite – oder dass man deswegen<br />
krank zur Arbeit geht oder sich nicht als Betriebsrat zur<br />
Verfügung stellt, dann muss ich Ihnen sagen: Wenn das<br />
denn alles so schlimm ist, dann war es erst recht<br />
Herr Kollege Ernst, Sie sind etwas verfangen in den<br />
Marx’schen Ideen und sehen deshalb den Sklavenstaat<br />
als eine Vorstufe der Arbeitswelt im 19. Jahrhundert.<br />
schlimm und bedrückend für die Arbeitnehmerinnen und (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das hat etwas mit<br />
Arbeitnehmer im Jahre 2001, als Sie von Rot-Grün diese<br />
Logik zu tun, nicht mit Marx!)<br />
Regelungen hier in Kraft gesetzt haben. Insofern fällt<br />
diese Argumentation auf Sie selbst zurück.<br />
Wir sind im 21. Jahrhundert, lieber Herr Kollege Ernst.<br />
(B)<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP – Widerspruch beim BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Eben! Und Sie<br />
machen das Mittelalter daraus! Das ist das<br />
Problem!)<br />
(D)<br />
An dieser Stelle können Sie nicht sagen, dass Sie das<br />
in dieser Debatte schon fünf- oder sechsmal eingeräumt<br />
und „mea culpa“ in den Raum gerufen haben. 2001<br />
wurde nicht erstmalig Befristungsrecht in Deutschland<br />
kodifiziert, sondern – das steht in den Anträgen und<br />
Das haben Sie und Ihre Partei noch nicht bemerkt. Wir<br />
haben halt ein paar andere Probleme als zu Zeiten von<br />
Karl Marx.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der FDP)<br />
wurde heute, glaube ich, auch schon gesagt – wir haben<br />
seit 1985, und zwar durch das Beschäftigungsförderungsgesetz<br />
von Norbert Blüm, eine derartige Gesetzgebung<br />
in Deutschland. Deswegen war das nach 15 Jahren<br />
nichts Neues. Sie haben – wenn es denn so schlimm war –<br />
Vielleicht holen Sie noch auf. Sie haben noch einen weiten<br />
Weg vor sich.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Karl Marx hatte<br />
keinen Porsche!)<br />
den Menschen zu Beginn der Jahrtausendwende mit Ihrer<br />
Agenda 2010 noch viel mehr zugemutet, als man ihnen<br />
heute zumuten würde. Wenn es denn verantwortungslos<br />
war, dann war es 2001 erst recht<br />
verantwortungslos, so etwas zu machen. Das fällt voll<br />
auf Sie zurück.<br />
Ich halte fest: Ein befristetes Arbeitsverhältnis ist zunächst<br />
ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis,<br />
das ein Haushaltseinkommen von etwa 91 Prozent<br />
des Einkommens von unbefristet Beschäftigten ermöglicht.<br />
Das ist an dieser Stelle immerhin ein guter und erfolgreicher<br />
Zwischenschritt, den wir für richtig halten.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der FDP – Klaus Barthel [SPD]: Was folgt denn<br />
jetzt daraus? – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Waren<br />
Sie jetzt dafür oder dagegen? Was ist denn<br />
Ihre Position?)<br />
– Ich komme gleich dazu. Ich habe noch ein bisschen<br />
Redezeit, und Sie können auch gleich eine Frage dazu<br />
stellen, Herr Kollege Ernst.<br />
(Klaus Barthel [SPD]: Vorhin haben wir doch<br />
gehört, die kriegen den vollen Lohn!)<br />
Nun sagen Sie – das ist vollkommen richtig, das unterstützen<br />
wir; das hat auch Kollege Zimmer gesagt und<br />
ist von unserer Seite nie bestritten worden –, dass das befristete<br />
Arbeitsverhältnis natürlich nicht das Regelarbeitsverhältnis<br />
in Deutschland, insbesondere für Berufseinsteiger,<br />
werden soll.<br />
Jetzt müssen wir uns im Einzelnen mit der Beurtei- (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Aber so läuft<br />
lung der befristeten Arbeitsverhältnisse auseinanderset- es! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/<br />
zen.<br />
DIE GRÜNEN]: Ist es schon!)