Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15485<br />
(A) Ziel der FDP bleibt eine nachhaltige, solide Finanzieständig sind. Die Kommunen sind nur für die örtlichen (C)<br />
rung der Kommunalfinanzen. Einen ersten Schritt schaf- Risiken und deren Lösung zuständig.<br />
fen wir mit diesem Gesetz.<br />
Die Bundesregierung erwartet, dass die Kommunen<br />
(B)<br />
Katrin Kunert (DIE LINKE): Die Entlastung der<br />
Kommunen ist der Koalition so wichtig, dass sie die<br />
erste Lesung des „Gesetzentwurfs zur Stärkung der Finanzkraft<br />
der Kommunen“ an das Ende der heutigen <strong>Sitzung</strong><br />
platziert hat.<br />
Am 15. Juni 2011 hat die Gemeindefinanzkommission<br />
ihre Arbeit eingestellt. Nach mehr als einem Jahr<br />
hat sie ihr klägliches Laienspiel beendet. Positiv schlägt<br />
zu Buche, dass Schwarz-Gelb mit dem Versuch gescheitert<br />
ist, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Negativ ist,<br />
dass sich an der Finanznot vieler Kommunen nichts ändert<br />
wird. Hier hat die Gemeindefinanzkommission versagt.<br />
Die Reform der Gemeindefinanzen bleibt auf der Tagesordnung.<br />
Die Finanznot der Kommunen kann man<br />
nur lindern, indem man sie stärker am Gesamtsteueraufkommen<br />
beteiligt und indem man die Einnahmen aus der<br />
Gewerbesteuer stabilisiert und sie in Form einer Gemeindewirtschaftsteuer<br />
verlässlicher gestaltet. Die Linke<br />
wird hierzu auch weiterhin initiativ werden. Wir werden<br />
auch alle Initiativen im <strong>Bundestag</strong> unterstützen, die eine<br />
wirkliche Stärkung der Finanzkraft der Kommunen zum<br />
Ziel haben.<br />
Einziges Ergebnis der Gemeindefinanzkommission<br />
im Bereich Finanzen ist die Entlastung der Kommunen<br />
bei der Grundsicherung im Alter. Die Bundesregierung<br />
hat erklärt, die Kosten hierfür schrittweise und ab 2014<br />
ganz zu übernehmen. Sicher wäre dies zu begrüßen,<br />
wenn nicht andere Entscheidungen dies ins Gegenteil<br />
verkehren würden.<br />
die frei werdenden Mittel für eine dauerhafte Finanzierung<br />
des Mittagessens in Schulhorten oder für Schulsozialarbeit<br />
einsetzen. Das ist ein Eingriff in die kommunale<br />
Selbstverwaltung, den Die Linke nicht mittragen<br />
wird.<br />
Darüber hinaus ignoriert der Gesetzentwurf auch<br />
schwerwiegende Kritikpunkte der kommunalen Spitzenverbände<br />
und des Bundesrates. Ich möchte an dieser<br />
Stelle auf drei Punkte eingehen.<br />
Erstens. Es ist nach wie vor offen, wie sichergestellt<br />
werden soll, dass das Geld bei den Kommunen vollständig<br />
ankommt. Die Kommunen haben hier bereits leidvolle<br />
Erfahrung gemacht. Die Länder haben in der Vergangenheit<br />
Mittel des Bundes für die Kommunen nicht<br />
oder nicht ausreichend weitergeleitet. Der Forderung der<br />
Kommunen, hier eindeutige Regelungen zu schaffen,<br />
sind Sie von der Bundesregierung nicht nachgekommen.<br />
Das aber ist Voraussetzung dafür, dass die Kommunen<br />
wirklich entlastet werden. Ich fordere Sie daher auf, dies<br />
umgehend nachzuholen.<br />
Zweitens. Bisher sollen der Berechnung der Bundesbeteiligung<br />
nicht die tatsächlichen Ausgaben der Länder<br />
und Kommunen für die Grundsicherung im Alter und bei<br />
Erwerbsminderung zugrundegelegt werden. Berechnungsgrundlage<br />
sollen die Ausgaben im jeweiligen Vorvorjahr<br />
sein. Das aber bedeutet, dass Länder und Kommunen<br />
den Anstieg der Ausgaben im laufenden Jahr im<br />
Vergleich zum Vorjahr selbst finanzieren müssen. Damit<br />
entsteht für sie ein dauerhafter Fehlbetrag. Allein an dieser<br />
Regelung wird deutlich, wie ernst Sie es meinen mit<br />
der Entlastung der Kommunen.<br />
(D)<br />
Anmaßend und zynisch finde ich es, den uns vorliegenden<br />
Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft<br />
der Kommunen“ zu nennen. Zur Stärkung der der<br />
Finanzkraft der Kommunen gehört mehr als eine Entlastung<br />
der Kommunen im Bereich der Grundsicherung im<br />
Alter und bei Erwerbsminderung.<br />
Drittens. Der Referentenentwurf des BMAS vom<br />
6. Juni 2011 regelte noch die Kostenübernahme für die<br />
Jahre 2012, 2013 und 2014. Der nun vorliegende Gesetzentwurf<br />
regelt nur die Kostenübernahme für 2012. Die<br />
weiteren Steigerungsschritte sollen später geregelt werden.<br />
Die Begründung der Bundesregierung dafür lautet,<br />
Außerdem werden im gleichen Atemzug die Kommunen<br />
an anderer Stelle wieder belastet und ein Teil der<br />
Mittel – 400 Millionen Euro – mit dem Gesetzentwurf<br />
bereits verplant.<br />
ich zitiere aus der Gegenäußerung der Bundesregierung<br />
zur Stellungnahme des Bundesrates: „Die Erhöhungsschritte<br />
für die Jahre 2013 (auf 75 Prozent) und 2014<br />
(auf 100 Prozent) bleiben einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren<br />
vorbehalten, weil aufgrund des Errei-<br />
Die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung chens und Überschreitens eines hälftigen Anteils der<br />
im Alter und bei Erwerbsminderung soll durch eine dras- Bundesmittel an den Nettoausgaben für die Grundsichetische<br />
Reduzierung der Bundesbeteiligung an der Arrung im Alter und bei Erwerbsminderung ab dem Jahr<br />
beitsförderung refinanziert werden. Dadurch werden we- 2013 nach Art. 104 a Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes<br />
niger Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Bundesauftragsverwaltung eintritt. Da die Erhöhung der<br />
Verfügung stehen, was zulasten von Arbeits- und Er- Bundesbeteiligung für das Jahr 2012 bis zum Jahresende<br />
werbslosen geht.<br />
2011 beschlossen werden muss, steht im vorliegenden<br />
Die Kommunen brauchen zwar dringend eine Entlastung<br />
bei den Sozialausgaben, dies muss aber geschehen,<br />
ohne dass es gleichzeitig an anderer Stelle zu entspre-<br />
Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichend Zeit zur Regelung<br />
der Umsetzung der Bundesauftragsverwaltung<br />
zur Verfügung.“<br />
chenden Kürzungen kommt. Sowohl die Grundsiche- Liebe Bundesregierung, das wussten Sie bereits im<br />
rung im Alter als auch die Arbeitsmarktinstrumente die- Februar. Es war also genügend Zeit, um diese Änderunnen<br />
der Absicherung allgemeiner Lebensrisiken, für die gen mit dem heutigen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich<br />
nicht die Kommunen, sondern die Bundesregierung zu- meine, dass Sie sich mit der jetzigen Regelung eine Hin-