Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
15258 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) Vizepräsident Eduard Oswald:<br />
Zur Jugendarbeitslosigkeit muss ich nichts sagen. Wir (C)<br />
Ich bitte darum.<br />
stehen im europäischen Vergleich exzellent da. Ich kann<br />
nachvollziehen, dass Sie sich immer aufregen, wenn Ih-<br />
Ottmar Schreiner (SPD):<br />
Der letzte Satz, Herr Präsident. – Das normale Arnen<br />
vorgehalten wird, was Sie damals unter Rot-Grün<br />
gemacht haben.<br />
beitsverhältnis ist deshalb ein historisches Ereignis, weil (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜzum<br />
ersten Mal in der Geschichte von Arbeit auch für NEN]: Das war ein Fehler, den korrigieren<br />
diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wir!)<br />
keine großen Vermögen haben und die nur von ihrer Arbeit<br />
leben, eine soziale Sicherung geschaffen worden ist,<br />
sodass in Zeiten der Nichtarbeit – Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit,<br />
Alter – stabile und sichere Verhältnisse<br />
gegeben sind. Das sollten wir nicht leichtfertig aufs<br />
Spiel setzen.<br />
Wenn es ein Fehler wäre, wäre es richtig, diesen zu korrigieren.<br />
Die Wahrheit ist aber, dass es kein Fehler war.<br />
Vielmehr war es richtig, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren,<br />
weil dies nicht die einzige, aber eine wesentliche<br />
Ursache für das deutsche Jobwunder ist. Deshalb ist es<br />
richtig, bei der Befristung zu bleiben und Ihren Anträgen<br />
Deshalb besteht die Hauptaufgabe im Zurückdrängen nicht zuzustimmen.<br />
von prekärer Beschäftigung und in einem Ausbau des<br />
modernisierten Normalarbeitsverhältnisses. Wenn Sie<br />
sich dazu bereitfinden könnten, wäre schon viel erreicht.<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
Sie sind ein hoffnungsloser Fall, Herr Kollege Kolb, Jetzt sagen Sie, das gelte nicht mehr; denn durch die<br />
aber es gibt Anzeichen dafür, dass man die Kollegen von Befristung sei alles schlimm. Ich habe mir einmal Ihre<br />
der Union dafür gewinnen könnte. Dann wären wir in Argumente aufgeschrieben. Kollege Barthel hat vorhin<br />
diesem Hohen Haus einen Riesenschritt weiter, nicht in gesagt, die befristete Beschäftigung sei erstens keine<br />
unserem Interesse, sondern im Interesse der abhängig Brücke in unbefristete Beschäftigung. Zweitens würden<br />
Beschäftigten.<br />
immer mehr unbefristete Beschäftigungen umgewandelt,<br />
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
es gebe immer mehr „schlechte“ Arbeit und immer mehr<br />
Befristungen.<br />
Ein kluger Sozialdemokrat, Kurt Schumacher, hat<br />
Vizepräsident Eduard Oswald:<br />
Kollege Schreiner, bei nächster Gelegenheit unterhal-<br />
einmal gesagt: „Politik beginnt mit der Betrachtung der<br />
Wirklichkeit.“<br />
(B)<br />
ten wir beide uns über die Länge eines Satzes.<br />
Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-<br />
(Ottmar Schreiner [SPD]: Das war nicht Kurt<br />
Schumacher!)<br />
(D)<br />
tion der FDP unser Kollege Johannes Vogel. Bitte schön. Ich halte das für sehr richtig und wahr. Schauen wir uns<br />
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU)<br />
doch einmal die Lage im Bereich der Befristung an.<br />
Richtig ist: Mitte der 90er-Jahre gab es 5 Prozent befristet<br />
Beschäftigte, heute sind es 9 Prozent. Zur Betrachtung<br />
der Wirklichkeit gehört aber auch die Analyse, dass<br />
Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP):<br />
die Statistik verändert wurde.<br />
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Herr Kollege Schreiner, ich finde es wirklich gut, dass<br />
Sie auf die Untersuchungen der OECD verweisen. Diese<br />
Untersuchungen beschäftigen sich aber nicht nur mit<br />
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Darum geht es doch gar nicht!<br />
Jede zweite Stelle ist befristet!)<br />
Deutschland, sondern mit sämtlichen OECD-Ländern. Das wissen Sie alles so gut wie wir. Weil die Statistik<br />
Sie haben recht: Es ist natürlich berechtigt, nach der<br />
Qualität von Arbeit zu fragen. Diese Frage sollten wir<br />
uns alle stellen. Mir gefällt aber nicht, dass Sie scheinbar<br />
verändert wurde, ist der Prozentsatz gestiegen; denn jetzt<br />
werden Saisonarbeiter – Arbeitskräfte im Weihnachtsgeschäft,<br />
Erntehelfer – mit in die Statistik einbezogen.<br />
völlig aus dem Auge verloren haben, dass Quantität vor (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE<br />
Qualität steht. Bevor man sich nach der Qualität eines GRÜNEN]: Jede zweite Beschäftigung ist be-<br />
Arbeitsverhältnisses fragen kann – Kollege Kolb hat übfristet!)rigens nicht gesagt, dass sozial ist, was Arbeit schafft –,<br />
muss zunächst einmal ein Arbeitsverhältnis gegeben<br />
sein.<br />
Es ist eben nicht so, dass der Anteil der befristet Beschäftigten<br />
weiter explodieren würde. Das ist schlicht<br />
nicht wahr.<br />
Deshalb ist es wichtig, zunächst einmal auf die Lage<br />
in Deutschland hinzuweisen. Wir haben weniger als<br />
2,8 Millionen Arbeitslose. Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />
von den Linken, da Sie immer auf die Statistik ver-<br />
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Jede zweite Beschäftigung ist befristet!)weisen,<br />
möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass – Das ist richtig, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. –<br />
auch die Unterbeschäftigung um eine halbe Million Kommen wir zu den Neueinstellungen. Davon sind ins-<br />
niedriger ist als noch vor einem Jahr. Das ist eine gute besondere junge Leute betroffen, übrigens gerade Hoch-<br />
Nachricht.<br />
qualifizierte. Es gibt viele Bereiche, in denen der Anteil