Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15216 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Dr. Gregor Gysi<br />
Herr Brüderle, ich bitte Sie um eines – Sie spucken Ich sage Ihnen: Es gibt wieder einen Riesenunter- (C)<br />
hier schließlich immer große Töne für die Arbeitnehmeschied zwischen SPD und Grünen auf der einen und uns<br />
rinnen und Arbeitnehmer –: Erklären Sie den Arbeitneh- auf der anderen Seite. Wir verlangen die Garantieerklämerinnen<br />
und Arbeitnehmern, den Rentnerinnen und rung. Sie verlangen sie nicht. Warum eigentlich nicht?<br />
Rentnern, den Arbeitslosen sowie den Kleinunternehme- Warum machen Sie das nicht wenigstens zur Bedingung<br />
rinnen und Kleinunternehmern, weshalb die Löhne, die Ihrer Zustimmung?<br />
Renten und Sozialleistungen sowie die Einnahmen seit<br />
zehn Jahren real zurückgeschraubt wurden, während Sie<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
das Vermögen der immer zahlreicher werdenden Vermögensmillionäre<br />
nicht mit einem halben Cent belasten. Erklären<br />
Sie es! Erklären Sie es der Bevölkerung!<br />
Nun gibt es auch Abgeordnete von FDP und Union,<br />
deren Gewissen ein Nein verlangt. Aber sie stehen vor<br />
der Frage, was sie höher bewerten: ihr Gewissen oder<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
die Angst vor Neuwahlen. Wir werden es nachher sehen.<br />
Auf das Ja von SPD und Grünen können Sie sich verlas-<br />
Nun komme ich zum letzten Punkt. Seitens der Regiesen. Unser Nein ist sicher. Ich weiß schon jetzt, dass<br />
rung – das gilt insbesondere für Sie, Frau Bundeskanzle- Herr Trittin uns dann als europafeindlich bezeichnen<br />
rin – fehlt eine notwendige Garantieerklärung. Ich wird. Deshalb möchte ich ihm sagen, dass er auch in die-<br />
möchte an Folgendes erinnern: Bei der ersten Finanzkrise sem Punkt schwer irrt.<br />
im Jahre 2008 sind Sie zusammen mit Ihrem damaligen<br />
Bundesfinanzminister vor das Mikrofon getreten – das<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
war übrigens die Zeit, als Sie Herrn Steinbrück noch zugeklatscht<br />
haben; das haben Sie auch schon vergessen –<br />
und haben eine Garantieerklärung für die Sparerinnen<br />
und Sparer abgegeben. Sie haben gesagt: Die Spareinlagen<br />
werden im Rahmen der Krise nicht gekürzt. Warum<br />
machen Sie heute nicht etwas Ähnliches? Die Frage wird<br />
man doch stellen dürfen.<br />
Ich sage Ihnen, warum er sich irrt: Ich weiß aufgrund<br />
der Geschichte meiner Familie sehr gut, dass die vergangenen<br />
Jahrhunderte von Kriegen zwischen den Ländern<br />
in Europa, die heute Mitgliedsländer der Europäischen<br />
Union sind, gezeichnet waren. Der große Fortschritt der<br />
Europäischen Union ist, das verhindern zu können. Das<br />
ist eine zentrale Frage, an der in Deutschland niemand<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
vorbeikommt. Das begrüßen wir in jeder Hinsicht.<br />
Wenn der Rettungsschirm in Anspruch genommen<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
(B)<br />
wird, haftet die deutsche Bevölkerung für 211 Milliarden<br />
Euro. Die Deutsche Bank hat ausgerechnet, dass sich das<br />
Ganze durch die Zinslasten, die noch hinzukommen, auf<br />
bis zu 400 Milliarden Euro steigern kann. Sie organisieren,<br />
dass dieser Fall eintritt.<br />
Wir wissen auch, dass die EU für die Wirtschaft wichtig<br />
ist. Auch das muss man uns nicht erklären. Aber wir haben<br />
bei der Einführung des Euro vor Fehlentwicklungen<br />
gewarnt. Sie waren ja alle schlauer, auch die Grünen,<br />
und haben gesagt: Nichts davon wird passieren. – Viel-<br />
(D)<br />
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)<br />
Es stellt sich mir die Frage, wer das bezahlen soll. Wir<br />
könnten es durch eine Millionärsteuer, einen höheren<br />
Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer, eine Fileicht<br />
schauen Sie sich das noch einmal an und nehmen<br />
zur Kenntnis, dass unsere Warnungen gestimmt haben<br />
und nicht die Glorifizierung der gesamten Vorgänge, die<br />
Sie an den Tag gelegt haben.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
nanztransaktionsteuer, eine höhere und gerechtere Körperschaftsteuer<br />
und eine endlich nennenswerte Bankenabgabe<br />
finanzieren. Oder müssen etwa wieder die<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen<br />
und Rentner, die Arbeitslosen und die Kleinunternehmerinnen<br />
und Kleinunternehmer das Ganze bezahlen? Auf<br />
diese Frage antwortet niemand aus der Regierung. Es<br />
wird aber höchste Zeit, dass Sie darauf antworten.<br />
Ich sage Ihnen auch: Wir wollen die EU. Wir wollen<br />
auch den Euro. Wir machen ja Vorschläge zu seiner Rettung,<br />
aber keine unsozialen. Das ist der Unterschied. Wir<br />
wollen sogar mehr Europa. Jetzt nenne ich Ihnen den<br />
Unterschied – der Unterschied ist ganz klar –: Sie alle<br />
wollen ein Europa der Banken. Wir aber wollen ein Europa<br />
der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger, der Bevölkerungen.<br />
Das ist der eigentliche Unterschied.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Frau Bundeskanzlerin, ich erwarte, dass Sie heute<br />
(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)<br />
eine Garantieerklärung abgeben und den Betroffenen sagen,<br />
dass sie nicht dafür bezahlen müssen.<br />
Präsident Dr. Norbert Lammert:<br />
Das Wort erhält nun der Kollege Jürgen Trittin, Bünd-<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
nis 90/Die Grünen.<br />
Sie haben noch etwas Zeit, Frau Bundeskanzlerin. Wenn<br />
Sie diese Garantieerklärung nicht vor der Ratifizierung<br />
der entsprechenden Verträge abgeben, dann wissen alle<br />
Bürgerinnen und Bürger, wen es treffen wird, wenn der<br />
Haftungsfall eintritt.<br />
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber<br />
Gregor Gysi, wer für Europa ist, wer für internationale<br />
Solidarität ist, der darf sich heute nicht einem Instrument<br />
verweigern, das dazu dient, Mitgliedstaaten der Europäi-<br />
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist die Wahrschen Union vor der Spekulation an den Finanzmärkten<br />
heit!)<br />
in Schutz zu nehmen.